Sowohl im B2C als auch im B2B Geschäftsumfeld fordern Kunden heutzutage immer mehr individualisierte Produktlösungen. Selbst bei Produkten, die früher standardisiert vertrieben wurden, müssen heutzutage möglichst maßgeschneiderte Lösungen her. Unternehmen haben folglich keine andere Wahl, als sich dem Wunsch der Kunden anzupassen und entsprechend individuelle Lösungen anzubieten. Dabei muss allerdings gewährleistet werden, dass die Rentabilität des Unternehmens nicht unter dem Anstieg der internen Komplexität und der zusätzlichen Arbeit durch die Entwicklung, den Vertrieb und die Produktion solcher variantenreicher Produktsortimente leidet. Das schließt die Themen Agilität und Resilienz mit ein.
Ein möglicher Lösungsweg, um zusätzliche Komplexität und Aufwand insbesondere beim Vertrieb und der Produktion von kundenindividuellen Produkten zu begrenzen, ist Produktkonfiguration. In einem Online-Konfigurator können sich Kunden beispielsweise virtuell ein passendes Produkt erstellen, das dann individuell geliefert wird. Um solch kundenindividuelle Produktaufträge effizient ausführen zu können, müssen alle beteiligten Unternehmensbereiche vom Vertrieb bis zur Produktion möglichst digital miteinander verknüpft sein, um einen schnellen Informationsaustausch und eine rasche Bearbeitung zu ermöglichen.
Im Idealfall ist die Verknüpfung der einzelnen Unternehmensbereiche so umgesetzt, dass alle Informationen, die zum Verkauf, zur Konfiguration und zur Produktion des Produkts gebraucht werden, automatisiert erstellt werden und ohne manuelle Eingriffe durch einen Mitarbeiter für alle Prozessschritte vorliegen. Das Ziel dieser sogenannten End-to-End Konfiguration ist es, Prozesse zu beschleunigen, Ressourcen effizienter zu nutzen und dem Kunden eine höhere Qualität bei gleichzeitig geringerem Aufwand zu bieten. Sprich die Skalierbarkeit des eigenen Geschäftsmodells ganzheitlich zu verbessern.
Aufgrund der erhöhten Anforderung an die Produktstruktur und die Verknüpfung der internen Systeme gelingt es jedoch nur wenigen Unternehmen, End-to-End Konfiguration tatsächlich zu realisieren. Eine intensive Auseinandersetzung mit dem Thema ist daher unerlässlich. In diesem Blog-Artikel geben wir Ihnen einen grundlegenden Überblick zum Thema und klären wichtige Fragen, darunter “Was ist End-to-End Konfiguration?”, “Was bringt End-to-End Konfiguration?” und “Welches sind die zentralen Herausforderungen?”.
Um End-to-End Konfiguration zu verstehen, bedarf es erst einmal einer Definition des Begriffes Produktkonfiguration. Produktkonfiguration beschreibt den Prozess, bei dem vordefinierte, als Module bezeichnete Elemente zu einem auf die Wünsche des Kunden angepassten Produkt zusammengefügt werden. Das Auswählen und Kombinieren der zur Verfügung stehenden Module folgt dabei bestimmten, im Vorfeld definierten Regeln, die als Konfigurationsregeln bezeichnet werden. Die Voraussetzung für Produktkonfiguration ist ein gutes Verständnis der Kundenwünsche, die im Rahmen des Konfigurationsprozesses in eine kundenindividuelle Lösung überführt werden müssen.
Im Unterschied zum “Engineer to Order” bietet Produktkonfiguration den Vorteil, dass weniger Aufwand beim Anbieten neuer kundenindividueller Produktvarianten entsteht, da die notwendigen Komponenten bereits vorhanden sind und die technische Machbarkeit im Vorfeld analysiert und sichergestellt wurde. Die Grundlage dafür liefert ein modulares Baukastensystem, in dem alle zur Produktarchitektur gehörenden Module zentral verwaltet werden.
Leseempfehlung: Unser Blog-Artikel “Alles, was Sie über Produktkonfiguration wissen müssen” gibt Ihnen einen Überblick über das große Themenfeld der Produktkonfiguration.
Der Konfigurationsprozess kann dabei entweder durch einen Vertriebsmitarbeiter oder den Kunden selbst angestoßen werden. Die Anforderungen an das Produkt werden hierbei in einen Vertriebskonfigurator eingegeben, welcher das erste Element eines sogenannten CPQ-Systems (Configure Price Quote) ist. Das System generiert dann auf Basis der Konfigurationsregeln und der Vertriebsinformationen eine Beschreibung des fertigen Produktes sowie ein Angebot für den Kunden. Bei der End-to-End Konfiguration werden die internen Prozesse und IT-Systeme so miteinander verknüpft, dass diese erste Interaktion mit dem Kunden ausreicht, um die Konfiguration des Produktes anzustoßen, sodass diese bis zur Lieferung des fertigen Produkts ausgeführt wird, ohne dass ein weiteres Eingreifen durch einen Unternehmensmitarbeiter notwendig wird.
So gesehen handelt es sich bei End-to-End Konfiguration, manchmal auch als One-Touch Konfiguration bezeichnet, also um eine vollautomatisierte, nahtlos verknüpfte Produktkonfiguration, die im Prinzip alle Prozessschritte umfassen kann. Für die Zwecke dieses Blog-Artikels wollen wir unser Verständnis von End-to-End Produktkonfiguration jedoch auf den zentralen Teil des Produktlebenszyklus beschränken. Wie die nachfolgende Grafik zeigt, sind die Bereiche Produktentwicklung, Lieferung und Instandhaltung in diesem Verständnis nicht im End-to-End Prozess mit eingeschlossen. Stattdessen wird der Einflussbereich von End-to-End Konfiguration hier auf den Teil des Produktlebenszyklus begrenzt, der die Schritte von der Erfassung der Kundenanforderungen über die Planung und Informationsbeschaffung bis hin zur Erstellung aller für die Produktion notwendigen Informationen umfasst.
Grundsätzlich geht es bei End-to-End Konfiguration darum, manuelle Eingriffe in den Konfigurationsprozess auf ein Minimum zu reduzieren und den Informationsaustausch zwischen den einzelnen Abteilungen im Unternehmen zu optimieren. Die konkreten Ziele, die Unternehmen mit End-to-End Konfiguration verfolgen, lassen sich wie folgt zusammenfassen:
Um diese Ziele zu realisieren, müssen alle benötigten Informationen zentral zusammengeführt und sowohl für den internen als auch den externen Gebrauch in ein passendes Format übertragen werden. Dazu gehören:
Eine grundlegende Voraussetzung, um End-to-End Produktkonfiguration im Unternehmen umzusetzen, ist eine durchgehende Integration der in den verschiedenen Abteilungen verwendeten Systeme. Nur durch eine nahtlose Vernetzung der IT-Systeme ist ein reibungsloser Informationsaustausch gewährleistet. Zu diesen gehören:
Viele Unternehmen setzen bereits auf Online-Konfiguratoren, um ihre Kunden im Rahmen eines Guided Selling Prozesses zu einer zu ihren Anforderungen passenden technischen Lösung zu führen. Eine nahtlose Verknüpfung der unternehmensinternen IT-Systeme und damit eine echte End-to-End Konfiguration bleibt für die meisten Unternehmen jedoch unerreicht. Das liegt daran, dass End-to-End Produktkonfiguration nicht einfach umzusetzen ist, da sie einen freien, automatisierten Informationsaustausch zwischen den einzelnen Abteilungen und eine vollständige Konfigurierbarkeit der Produkte voraussetzt. Vor diesem Hintergrund lassen sich drei zentrale Herausforderungen formulieren, die Unternehmen auf dem Weg zu End-to-End Konfiguration meistern müssen.
In vielen Fällen ist es so, dass komplexe Produkte individuell auf den Kunden zugeschnitten sind. Um die Bedürfnisse des Kunden optimal zu erfüllen, werden sie an einen bestimmten Prozess, eine bestimmte Anwendung oder geometrisch angepasst. Maßanfertigungen lassen sich jedoch nur schwer bis gar nicht im Voraus planen. Je größer der Anteil an kundenindividuellen Lösungen in einem Produkt ist, umso mehr Aufwand entsteht bei der Entwicklung, der Produktion und beim Vertrieb des Produktes, der nicht durch automatisierte Prozesse abdeckbar ist.
Eine Möglichkeit, End-to-End Konfiguration auch für komplexe individualisierbare Produkte zu ermöglichen, ist Design Automation. Bei Design Automation werden mithilfe eines CAD-Systems konstruktive Anpassungen automatisiert vorgenommen, ohne dass jede mögliche Anpassung bereits im Vorfeld berücksichtigt und von einem Entwicklungsingenieur geplant werden muss. Die Grundlage dafür liefern vorab definierte Design Parameter, die im CAD-Modell des Produkts variiert werden können, um die Kundenwünsche bestmöglich umzusetzen.
Leseempfehlung: Einen detaillierten Überblick zum Thema Design Automation in der Produktkonfiguration bietet Ihnen dieser Blog-Artikel. Hier lesen Sie alles zu den theoretischen Grundlagen von Design Automation und wie sich dieser Prozess in der Praxis umsetzen lässt.
Moderne Unternehmen verfügen meist über komplexe IT-Landschaften, die häufig das Erbe von Unternehmensfusionen und -zukäufen sind. So kann es sein, dass an verschiedenen Stellen im Unternehmen (z.B. an verschiedenen F&E-Standorten) für dieselbe Funktion unterschiedliche Softwaresysteme verwendet werden. Ein Beispiel sind mehrere unternehmensintern genutzte PLM- oder ERP-Systeme. Die Integration aller Unternehmensbereiche, die zum Erreichen von End-to-End Konfiguration notwendig ist, stellt an sich bereits eine große Herausforderung dar. Alternative und sich überschneidende Systeme sind da noch eine zusätzliche Herausforderung.
Bei kleineren Unternehmen ist das Problem ein anderes. Je nach Größe verfügen bestimmte Unternehmensfunktionen eventuell gar nicht über ein IT-System (z.B. über ein PLM-System zur Verwaltung der Produktstrukturen und -daten). Um eine nahtlos verknüpfte IT-Landschaft zu schaffen, wie sie für End-to-End Konfiguration notwendig ist, müssen zunächst die fehlenden IT-technischen Voraussetzungen ergänzt werden.
Ein weiteres häufig auftretendes Problem ist, dass verschiedene Produktfamilien unterschiedlich strukturiert sind, sowohl was die einzelnen Produkte innerhalb der jeweiligen Produktfamilien als auch die Strukturen zwischen den einzelnen Produktfamilien betrifft. Das Resultat sind unterschiedlichen Stücklisten, die dazu führen, dass für jede Struktur ein individueller Konfigurationsprozess notwendig wird und End-to-End Konfiguration so um einiges schwerer umzusetzen ist.
Um dieses Problem zu lösen und das Informationsmanagement zu vereinfachen, müssen die Produktstrukturen zunächst so angepasst werden, dass die Produkte und Produktfamilien eine gemeinsame Produktarchitektur zur Basis haben. Ein geeignetes Tool hierfür ist Modularisierung. Eine modulare Produktarchitektur garantiert die Konfigurierbarkeit von Produkten, da diese aus einem Satz im Vorfeld definierter Baugruppen, den sogenannten Modulen, zusammengesetzt werden können. Die grundlegende Produktstruktur bleibt dabei unverändert, da neue Produktvarianten einfach durch das Austauschen bestimmter Modulvarianten generiert werden (s. Grafik oben). Die Kombinierbarkeit der einzelnen Elemente wird durch die vorab definierten Konfigurationsregeln sichergestellt. Generell gilt: Je modularer ein Produkt, desto einfacher lässt es sich konfigurieren. Und gute, beziehungsweise im besten Fall vollständige Konfigurierbarkeit, ist die Voraussetzung für End-to-End Konfiguration.
Leseempfehlung: Mehr dazu, wieso Diskrepanz in den Produktstrukturen End-to-End Konfiguration erschwert und wie Sie dieses Problem umgehen können, lesen Sie in unserem Blog-Artikel “So gelingt End-to-End Produktkonfiguration”.
Unter End-to-End Konfiguration versteht man eine Art der Produktkonfiguration, bei der zur Bearbeitung eines Auftrags eine einzelne Interaktion mit dem Kunden ausreicht, um die Bestellung danach ohne weiteres manuelles Eingreifen bearbeiten zu können. Die dazu benötigten Informationen werden dabei zu Beginn einmalig generiert und automatisiert in ein für die verschiedenen Bearbeitungsschritte notwendiges Format überführt, darunter Stücklisten, 3D-Modelle und Produktionsanweisungen. Dadurch wird eine effiziente Verwendung interner Ressourcen, eine Steigerung der angebotenen Qualität und eine Verkürzung der Vorlauf- und Lieferzeiten erreicht.
Die notwendigen Voraussetzungen für erfolgreiche End-to-End Produktkonfiguration sind die Konfigurierbarkeit des Produkts sowie die nahtlose Integration der unternehmensinternen IT-Landschaft. Da dies in vielen Fällen jedoch nicht gegeben ist, tun sich viele Unternehmen schwer, End-to-End Konfiguration tatsächlich zu erreichen. Neben der oft fehlenden Übereinstimmung der Produktstrukturen und der mangelnden Verknüpfung der internen IT-Systeme stellt die Komplexität der angebotenen Produkte häufig eine zentrale Herausforderung dar, die es zu überwinden gilt.
Wie wir gesehen haben, gibt es jedoch für jede dieser Herausforderungen praktische Lösungsansätze, darunter die Umstrukturierung der Produktarchitektur in Form eines modularen Baukastens und die automatisierte Anpassung komplexer Produkte mithilfe von Design Automation. Eine intensive Auseinandersetzung mit dem Thema ist ein erster Schritt, um End-to-End Konfiguration erfolgreich im Unternehmen einzuführen und von den damit verbundenen Vorteilen zu profitieren.
Der vorliegende Blog-Artikel markiert den Beginn einer Serie zum Thema End-to-End Produktkonfiguration. In unserem nächsten Artikel werden wir uns mit der Frage beschäftigen, ob Produktkonfiguration für alle Unternehmen von Vorteil ist. Wenn Sie sich bereits entschieden haben, End-to-End Konfiguration in Ihrem Unternehmen umzusetzen, sollten Sie damit beginnen, die grundlegenden Voraussetzungen dafür zu schaffen. Dazu zählt in erster Linie die Konfigurierbarkeit Ihrer Produkte, die mithilfe von Modularisierung erreicht werden kann. Wie Sie in nur 5 Schritten Ihre modulare Produktarchitektur erstellen können, verraten wir Ihnen in unserem ausführlichen Guide, den Sie sich hier herunterladen können.
Alex Ginsburg
Principal, Manager & Partner
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Ingo Bögemann
Senior Consultant
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