Der Prozess vom Eingang des Kundenauftrags bis hin zur Lieferung des fertigen Produktes ist in vielen Unternehmen nach wie vor mit einem sehr hohen Aufwand verbunden. Im Verkaufsgespräch mit dem Kunden gilt es, dessen Anforderungen an das Produkt zu erfassen und diese in einem zweiten Schritt in konkrete Produkteigenschaften zu übersetzen. Dann muss beurteilt werden, ob die Anforderungen des Kunden und das resultierende Produkt technisch umsetzbar sind.
Der Übergang zwischen der Erfassung der Kundenbedürfnisse im Vertrieb und der Übersetzung in konkrete technische Spezifikationen für Produktion und Entwicklung ist dabei in der Regel nicht standardisiert. Viele Schritte werden bei jedem Kundenauftrag erneut durchlaufen, so dass sich die Vorlauf- und Lieferzeiten verlängern, was der Wettbewerbsfähigkeit schadet.
Um eine maximale Effizienz im Sales-to-Delivery-Prozess zu erreichen, sollte der Prozess möglichst automatisiert ablaufen. Das heißt, dass eine oder wenige Interaktionen mit dem Kunden ausreichen, um alle notwendigen Informationen zum Kundenauftrag zu erzeugen und für alle nachgelagerten Bearbeitungsschritte verfügbar zu machen. In diesem Zusammenhang spricht man von End-to-End-Produktkonfiguration.
Eine zentrale Voraussetzung für erfolgreiche End-to-End-Konfiguration ist eine lückenlose Dokumentation und durchgehende Verknüpfung der Produktarchitekturdaten. Genau hierbei machen Unternehmen jedoch häufig Fehler, was dazu führt, dass mögliche Automatisierungspotenziale im Konfigurationsprozess oft ungenutzt bleiben. In diesem Blog-Artikel stellen wir Ihnen eine Reihe von Best Practices vor, wie Sie Ihre Produktarchitekturdaten richtig definieren und verwalten.
Produktarchitekturdaten und warum diese wichtig sind
Produktarchitekturdaten sind alle Daten und Informationen, die zur vollständigen Beschreibung von Produktarchitekturen und allen unter der Architektur zusammengefassten Produktvarianten gebraucht werden. Dazu gehört eine Vielzahl an Datensätzen, die verschiedene Aspekte der Produktarchitektur beschreiben und jeweils für unterschiedliche Abteilungen relevant sind:
- Produkteigenschaften
- Kundendaten
- Informationen zu Marktsegmenten und Kundenbedürfnissen
- Informationen zu Modulen, Modulvarianten und Schnittstellen
- Konfigurationsregeln
- Generische Produktstrukturen
- Informationen zur Preisgestaltung
- Produktkonfigurationen
- Verkaufsinformationen
- Markteinführungsplan
- Technische Spezifikationen
- Prognostizierte Absatzmengen
- …
Die aufgelisteten Datensätze sind nur ein Auszug der Daten, die zur Dokumentation einer Produktarchitektur gesammelt und verwaltet werden. Grundsätzlich gilt es hier zwischen Daten zu unterscheiden, die unmittelbar zur Beschreibung der Produktarchitektur gebraucht werden (z. B. generische Produktstruktur, Module, Modulvarianten und Konfigurationsregeln), und Metadaten, die zusätzliche Informationen liefern (z. B. Kundenbedürfnisse, Marktsegmente und voraussichtliche Absatzmengen).
Verdeutlichen wir uns das Ganze am Beispiel eines modularen Produktportfolios an Lampen: Zu den wichtigen Daten der Produktarchitektur, die klar definiert und strukturiert werden müssen, gehören zum Beispiel Informationen bezüglich des Lampenfußes, verstellbare Positionen für den Lampenarm, Ausmaße verschiedener Modelle, Produkteigenschaften wie die Länge des Lampenarms, und Kundensegmente (z. B. wofür diese Lampe dann tatsächlich von Kunden eingesetzt wird und die daraus resultierende Kundenerwartung).
Gut organisierte Daten über die Produktarchitektur sind der Schlüssel für erfolgreiche End-to-End-Produktkonfiguration. All diese Datensätze einfach nur in verschiedenen Schubladen zu organisieren, ist aber nicht ausreichend. Vielmehr geht es darum, die unterschiedlichen Datensätze miteinander zu verknüpfen, um ein zentrales, einheitliches Informationsmodell zu erzeugen. Dieses dient als Basis, um die Prozesse im Sales-to-Delivery-Prozess zu automatisieren und End-to-End-Konfiguration zu ermöglichen.
Leseempfehlung: Hier lesen Sie, wie Sie das passende Informationsmodell für Produktkonfiguration erstellen und welchen Nutzen ein einheitliches Informationsmodell für Produktarchitekturen Ihrem Unternehmen bringt.
Tipps für den korrekten Umgang mit Produktarchitekturdaten
Damit möglichst viele Prozesse zwischen der Vertriebstätigkeit über Auftragserteilung durch den Kunden und der Auslieferung des fertigen Produktes automatisiert ablaufen können, bedarf es einer möglichst lückenlosen Dokumentation der Produktarchitektur und einer guten Strukturierung der dazugehörigen Daten. Beim Organisieren und Verwalten ihrer Produktdaten machen Unternehmen jedoch oft Fehler, was dazu führt, dass viele Prozesse nach wie vor manuell ausgeführt werden müssen und mit viel Aufwand verbunden sind. Nachfolgend stellen wir Ihnen verschiedene Tipps vor, wie Sie Produktdaten in Ihrem Unternehmen besser und effizienter verwalten können.
1. Schaffen Sie eine einheitliche Konfigurationslogik für Vertrieb und Produktion
Ein häufiges Problem beim Verwalten von Produktarchitekturdaten sind Abweichungen zwischen den im Vertrieb verwendeten Konfigurationen und den eigentlichen Variantenkonfigurationen, die für die technische Umsetzung benötigt werden. Im Laufe des Vertriebsprozesses wird mithilfe eines Konfigurators auf der Basis der Kundenanforderungen eine Stückliste für den Vertrieb erzeugt. Diese gilt es dann erst einmal in technische Anforderungen für das Produkt zu übersetzen, damit überhaupt erst eine passende Stückliste für die Produktion generiert werden kann.
Dieses Vorgehen ist mit viel Aufwand verbunden - auch aufgrund der daraus resultierenden Duplikation der Datensätze. Unternehmen sollten deshalb versuchen, die Konfigurationslogiken für Vertrieb und Produktion zu harmonisieren, damit bei Eingabe der Kundenanforderungen im Verkaufsprozess direkt beide Stücklisten erzeugt werden können. Außerdem kann so direkt im Verkaufsgespräch überprüft werden, ob die verkaufte Konfiguration technisch umsetzbar ist.
1. Strukturieren Sie Ihre Produktarchitekturdaten modular
Je umfangreicher und komplexer das Produktportfolio, desto mehr Daten hat das Unternehmen zu handhaben. Die Herausforderung liegt jedoch nicht nur in der Verwaltung der reinen Datenmenge, sondern auch in der richtigen Klassifikation und Strukturierung der Datensätze. Schauen wir uns dazu noch einmal das zuvor eingeführte Beispiel eines modularen Systems an Lampen an. Jede Lampenvariante ist über eine Vielzahl verschiedener Produkteigenschaften definiert, darunter zum Beispiel die Länge des Lampenarms, die Form des Lampenkopfes und die Spezifikation für die passende Glühbirne.
All diese Informationen müssen korrekt klassifiziert und gruppiert werden, bevor sie in einem nächsten Schritt miteinander verknüpft werden können, um ein einheitliches Informationsmodell zu liefern. Zentral hierbei ist die Unterscheidung zwischen dem Modul und der Modulvariante (s. nächster Abschnitt).
3. Definieren Sie Ihre Module und Modulvarianten korrekt
Module sind funktionale Gruppierungen von Bauteilen, die über standardisierte Schnittstellen miteinander kombiniert werden können und das Kernstück eines modularen Baukastensystems darstellen. Dabei gilt es zu beachten, dass das Modul ein abstrakter Platzhalter in der generischen Produktstruktur ist, während die Modulvariante die konkrete Realisierung eines Moduls darstellt, die bestimmte Eigenschaften erfüllt.
Eben diese Unterscheidung vergessen Unternehmen häufig bei der Ausarbeitung ihrer modularen Produktarchitektur. Ohne eine klare Unterscheidung von Modulen und Modulvarianten können letztere nicht in der übergeordneten Produktstruktur zugeordnet werden, was die Konfigurationsregeln für das Produktsortiment erheblich komplexer macht.
Für das Definieren von Modulen gibt es verschiedene Ansätze. Im Falle unseres Portfolios an Lampen könnte die modulare Gliederung des Lampenarms beispielsweise auf drei verschiedene Arten geschehen. Die nachfolgende Grafik gibt einen Überblick über die drei Optionen sowie die jeweilige Zuordnung der Modulvarianten.
Leseempfehlung: In unserem Blog-Artikel “Mehr als geometrische Module: Warum Strategie im Baukasten wichtig ist” lesen Sie, welche unterschiedlichen Möglichkeiten es gibt, Produkte in Form von Modulen zu strukturieren.
4. Wählen Sie die passende Granularität für Ihr Modulsystem
Bei der Strukturierung ihrer Produkte in Module stellt sich für Unternehmen darüber hinaus häufig die Frage, wie granular sie dabei vorgehen sollen. Viele Unternehmen entscheiden sich für das Definieren von Makromodulen, weil sie so nur eine geringere Zahl an Modulen verwalten müssen. Weniger Module bedeutet aber im Umkehrschluss eine größere Anzahl an Varianten, um die verschiedenen Kundenbedürfnisse und Produktspezifikationen abdecken zu können.
Module sehr kleinteilig zu definieren, führt aber nicht zwangsläufig zu weniger Varianten und einer reduzierten Komplexität, da sehr viele Module letztlich auch wieder zu einem Anstieg der Variantenanzahl führen. Ziel muss es daher sein, die optimale Balance zwischen Modul- und Variantenanzahl zu finden.
5. Kombinieren Sie Codes und deskriptive Labels für Ihre Datensätze
Ein Blick in die Produktdatenbanken vieler Unternehmen zeigt eine Ansammlung einer Vielzahl an Codes und Akronymen, die verschiedene Produkteigenschaften und -informationen repräsentieren. Im Falle eines Portfolios an Lampen könnten die unterschiedlichen Lichtfarben Warmweiß und Kaltweiß beispielsweise als “WW” und “KW” kodiert sein.
Was für Computerprogramme und für die Arbeit mit Excel-Tabellen gut funktioniert, macht es Mitarbeitern schwer, den Informationsgehalt der Codes und Abkürzungen zu erfassen. Vor allem für neue Mitarbeiter ist es eine Herausforderung, das System zu verstehen und alle Codes zu lernen. Unternehmen sollten daher beim Benennen ihrer Daten nicht ausschließlich auf Codes setzen, sondern zusätzlich deskriptive Label verwenden, die besser verständlich für die Mitarbeiter sind.
6. Spezifizieren Sie Modulvarianten basierend auf konkreten Produkteigenschaften
Umgekehrt kann aber auch eine fehlende Lesbarkeit der Produktdaten für Computersysteme zu Problemen führen. Das gilt insbesondere in Hinblick auf die Spezifikationen von Modulvarianten. Hier machen Unternehmen häufig den Fehler, Modulvarianten mit deskriptiven Namen zu versehen, anstatt sie über konkrete Produkteigenschaften zu spezifizieren. Schauen wir uns das einmal am Beispiel des Produktportfolios an Lampen an.
Die acht verschiedenen Modulvarianten für den Lampenarm wären in diesem Fall mit deskriptiven Bezeichnungen wie “Arm_20cm_Blau” oder “Arm_40cm_Grün” versehen. Für Computersysteme und Konfigurationstools sind diese Bezeichnungen aber nicht lesbar. Hinzu kommt, dass die Konfigurationsregeln mit einer wachsenden Zahl an Modulvarianten zunehmend komplexer werden und regelmäßig überarbeitet werden müssen.
Um dieses Problem zu vermeiden, sollten Modulvarianten über konkrete Produkteigenschaften spezifiziert werden, denen jeweils ein konkreter Wert zugeordnet werden kann. Die verschiedenen Produkteigenschaften und Werte können dann in einer Matrix organisiert werden, die ein Konfigurator problemlos auslesen kann.
Gut strukturierte und verknüpfte Produktarchitekturdaten als Schlüssel für erfolgreiche Produktkonfiguration
Produktkonfiguration, und insbesondere End-to-End-Konfiguration, ermöglicht es Unternehmen, ihren Aufwand beim Anbieten neuer kundenindividueller Produktvarianten zu reduzieren. Dadurch verkürzen sich die Vorlaufzeiten, während sich die Kosten- und Ressourceneffizienz in allen an der Bereitstellung des Produktes beteiligten Unternehmensbereichen erhöht.
Eine zentrale Voraussetzung für erfolgreiche Produktkonfiguration ist eine sorgfältige Strukturierung und Aufbereitung der Produktarchitekturdaten. Die richtige Verwaltung der Daten, die für eine lückenlose Dokumentation der Produktarchitektur notwendig sind, fällt Unternehmen jedoch häufig schwer.
In diesem Blog-Artikel haben wir verschiedene Ansätze vorgestellt, wie Sie Ihre Produktdaten besser strukturieren und handhaben. Wichtig hierfür sind unter anderem das Schaffen einer einheitlichen Konfigurationslogik für Vertrieb und Produktion, die korrekte Definition von Modulen und die Spezifikation von Modulvarianten basierend auf konkreten Produkteigenschaften.
Für detaillierte Einblicke in die hier vorgestellten Best Practices sowie weitere Tipps für den richtigen Umgang mit Produktarchitekturdaten empfehlen wir Ihnen unser Webinar “Best Practices bei der Definition von Produkarchitekturdaten”. Eine Aufzeichnung des englischsprachigen Webinars können Sie sich hier kostenlos herunterladen.