Produzierende Unternehmen stehen vor der Aufgabe, ihr Produktportfolio regelmäßig zu optimieren und damit Produktivitäts- und Ergebniskiller zu eliminieren. Dieses Optimum zu erreichen, ist das Ziel bei der Entwicklung neuer Produkte, aber auch beim Management des bestehenden Produktportfolios.
Es ist bekannt, dass modulare Produktarchitekturen in vielen Fällen die effektivste und effizienteste Entwicklungsstrategie darstellen. Wie aber erziele ich in weniger als 12 Monaten messbare Ergebnisse?
Leseempfehlung: Lesen Sie in unserem Artikel Mit einem Baukastensystem Komplexität optimieren warum Standardisierung nur die Vorbereitung für eine umfassende Standardisierung sein sollte.
Leider dauert die Entwicklung einer belastbaren, nachhaltigen modularen Produktarchitektur oft ein bis zwei Jahre. Um die Zeit bis zum Wirksamwerden der Modularisierung zu überbrücken und die notwendigen Entwicklungsressourcen zu erschließen, ist eine marktgerechte Standardisierung ein sinnvoller Ansatz. Marktorientierte Standardisierung versucht das vorhandene Produktangebot so wenig wie möglich zu beschneiden, dabei die vorhandene Produktarchitektur unangetastet zu lassen und trotzdem die Teilevielfalt zu verringern und damit die Kosten zu optimieren.
Die markgerechte Standardisierung kann als Vorbereitung für eine umgehende Modularisierung genutzt werden. So können erste Potentiale kurzfristig gehoben werden und ein umfassendes Modularisierungsprojekt beschleunigt werden.
Die Ergebnisse der marktorientierten Standardisierung können dann nahtlos in das Modularisierungsprojekt integriert werden und helfen so, die Modularisierung in ihrem Unternehmen schneller umzusetzen. Aus unserer Sicht also ein perfektes Zusammenspiel der Methoden.
Wie das genau funktioniert, wollen wir Ihnen in diesem Blogartikel vorstellen.
Ohne Daten geht es nicht – ohne Änderung der Produktarchitektur schon
Daten sind die Grundlage, um marktorientierte Standardisierung zu betreiben. Grundsätzlich gilt: Je mehr Daten verfügbar sind, desto mehr Aspekte können in die Optimierung einfließen. Das bedeutet auch, dass das Ergebnis umso nützlicher für Ihr Unternehmen ist.
Im einfachsten Fall verfügen Sie lediglich über die Verkaufsdaten Ihrer Produkte, die Beschreibung der Produkte und deren Ausstattung sowie über die zugehörigen Stücklisten. Fügt man diese Daten in einer Struktur zusammen, lassen sich bereits wertvolle Erkenntnisse ableiten.
Auf Basis dieser Informationen können bereits einfache ABC-Analysen durchgeführt werden. Im Ergebnis werden dann oft z. B. alle C-Produkte entfernt. Das ist jedoch eine Methode, die auch Risiken birgt, denn so geht in vielen Fällen auch ein Ausschnitt des Produktangebots verloren, der für sonstige A-Kunden wichtig ist.
Die marktorientierte Standardisierung vermeidet diese harten Einschnitte, da ein solches Vorgehen in Unternehmen häufig auf Widerstände trifft und da die Abkündigung von C-Produkten nicht garantiert, dass auch die Teile, Komponenten und Zulieferer eliminiert werden, die in der Lieferkette die größten Probleme bereiten.
Die marktorientierte Standardisierung vermeidet diesen Fehler durch die Einbindung zusätzlicher Perspektiven von Entwicklung, Produktion und Einkauf. Außerdem wird versucht den Verlust von Produkteigenschaften durch geschickte Paketierung zu vermeiden. Der Kunde bekommt nach wie vor was er bei Ihnen nachfragt, nur mit weniger Komplexität für ihre Organisation.
Unterschiede zu Variantenmanagement und Product Mining
Wenn es möglich ist, Daten zu Produkten, Kunden, Preisen, Teilen, Fertigung/Montage und Lieferanten bereitzustellen, wächst die Zahl der möglichen Optimierungen und damit die Qualität der Aussagen. Im Unterschied zu Ansätzen des Variantenmanagements oder des Product Minings ist in der marktorientierten Standardisierung die Perspektive des Marktes bei der Optimierung gesetzt und führend.
Das hat den Grund, dass kundenorientierte Unternehmen erfahrungsgemäß profitabler sind als weniger kundenorientierte Unternehmen. Die Einbeziehung mehrerer Optimierungsansätze verhindert jedoch, dass die Kundenorientierung toxisch wird. Die marktorientierte Standardisierung greift, anders als die Modularisierung, nicht in die Produktarchitektur ein, sondern optimiert das Produkt- und Teileportfolio in einer bestehenden Produktstruktur.
So arbeitet Marktorientierte Standardisierung
Bei der marktorientierten Standardisierung werden die Beziehungen zwischen Daten zu Produkten, Kunden, Teilen und Lieferanten statistisch erfasst und ausgewertet. Die Grafik zeigt verschiedene Arten von Informationen und welche Dokumente diese miteinander verknüpfen.
Es gibt verschiedene Möglichkeiten, dies zu tun. Liegen die Daten in einer strukturierten Form und Quelle bereits vor und sind die Verbindungen bekannt, so kann schon das Pivotisieren der Datenstruktur hilfreiche Erkenntnisse bereitstellen. Da wir diese Situation aber nur in wenigen Fällen vorfinden, bedienen wir uns heute beispielsweise der Graphanalyse und moderner Verfahren der Künstlichen Intelligenz, um durch maschinelles Lernen die Beziehungen zu erschließen, Cluster zu identifizieren und Datenpunkte oder Beziehungen zu bewerten.
Nutzung von KI im Rahmen der marktorientierten Standardisierung
In einem ersten Schritt werden mögliche Datenquellen identifiziert, die Datenqualität optimiert und ggf. Datenlücken gefüllt und Redundanzen optimiert. Grundsätzlich ist dabei fast jede Datenquelle geeignet. Lediglich Bilder und Zeichnungen stellen eine größere Hürde für die Analyse mit KI dar.
Die so vorbereiteten Daten werden dann mit Methoden des Maschinellen Lernens analysiert und Muster erkannt, die für Optimierungen und darauf basierende Simulationen verwendet werden.
Auf Basis der abgeleiteten Optimierungsstrategie werden die Modelle aufgebaut, angewendet und das Ergebnis ausgewertet. Wir verwenden dabei meist mehrere Strategien parallel und untersuchen, welche Überschneidungen es gibt. Ausgehend von diesem Zwischenergebnis werden die Modelle und Analysen optimiert. Zum Abschluss werden die Erkenntnisse in Maßnahmen umgesetzt und so schnell wie möglich durchgeführt.
So können die Ergebnisse der Marktorientierten Standardisierung innerhalb weniger Monate genutzt werden
Die naheliegendste Nutzung ist die schnellstmögliche Sperrung der auszusortierenden Produkte und Teile sowie die Bereinigung und Optimierung der Supply Chain. Erfahrungsgemäß dauert es zwischen drei und sechs Monaten, bis die marktorientierte Standardisierung erste nachweisbare Wirkung erzielt. So bleiben zumeist mehr als 90 % der Optionen vorhanden, jedoch werden 50 % der Produkte bereinigt und 25 % der Teile entfallen. Die mit der Teilereduzierung verbundene reduzierte Komplexität wirkt spürbar in Entwicklung, Einkauf und Supply Chain und senkt die damit verbundenen Kosten. Im Ergebnis dürfen Sie mit einer Kostensenkung von etwa 2 % der Gesamtkosten rechnen.
Da die marktorientierte Standardisierung die bestehende Produktarchitektur nicht ändert, sind die Potenziale im Vergleich mit einer effektiven Modularisierung geringer.
Die Standardisierung kann die Modularisierung also nicht ersetzen, sondern sinnvoll ergänzen. Denn die marktorientierte Standardisierung beschleunigt die Konzeption und Umsetzung einer vollständigen Modularisierung deutlich. Die Erkenntnisse zu den nachgefragten Produkteigenschaften und deren Ausprägungen können nach dieser Vorarbeit bereits zu großen Teilen und mit großer Validität verwendet werden. Abhängig vom Umfang und der Qualität des aufgebauten Datenmodells können die Ergebnisse in unser PALMA-System überführt werden, um den standardisierten Umfang zu verwalten und so erneutes Wachstum der Komplexität von Angeboten und Teilen effektiv zu begrenzen. Alternativ können die bereinigten Daten auch in bereits vorhandene ERP-, PLM-, CPQ- oder andere Systeme zurückgespielt werden.
Leseempfehlung: Im Rahmen der marktgerechten Standardisierung werden verschiedene Daten miteinander verknüpft. Ein passendes Informationsmodell zur Verwaltung von Produktdaten macht hierbei die Arbeit deutlich einfacher. Lesen Sie in unserem Artikel Das passende Informationsmodell für Produktkonfiguration, wie ein solches Informationsmodell funktioniert
Marktorientierte Standardisierung als Schritt in Richtung einer modularen Produktarchitektur
Produktionsunternehmen müssen ihre Produktportfolios ständig optimieren, um die Produktivität und das Ergebnis zu verbessern. Dies gilt sowohl für die Entwicklung neuer Produkte als auch für die Verwaltung bestehender Produktportfolios.
In diesem Artikel haben wir gezeigt, wie eine marktorientierte Standardisierung als erster Schritt hierbei schnell helfen kann.
Modulare Produktarchitekturen sind oft die effizienteste Entwicklungsstrategie. Die Entwicklung einer nachhaltigen modularen Produktarchitektur kann jedoch ein bis zwei Jahre dauern. Die marktorientierte Standardisierung kann als Zwischenschritt zur Modularisierung genutzt werden. Sie ermöglicht schnelle Ergebnisse (3-6 Monate) und senkt die Kosten (2 % der Gesamtkosten).
Die marktorientierte Standardisierung nutzt Daten aus verschiedenen Quellen (z. B. Verkauf, Entwicklung, Produktion, Einkauf). Sie analysiert diese Daten mit KI-basierten Verfahren und identifiziert Optimierungspotenziale. Die Ergebnisse der marktorientierten Standardisierung fließen in die Modularisierung ein und beschleunigen diese.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die marktorientierte Standardisierung ein sinnvoller Zwischenschritt zur Modularisierung ist. Sie ermöglicht schnelle Effekte und beschleunigt die Entwicklung einer modularen Produktarchitektur.
Die in diesem Blogartikel beschriebenen Vorgehen basieren auf der Analyse von Produktarchitekturdaten. Von der Qualität der verfügbaren Daten hängt auch das Potential einer marktorientierten Standardisierung ab. Ergänzend zu diesem Artikel möchten wir Ihnen daher unser Webinar “Best Practices bei der Definition von Produkarchitekturdaten” empfehlen. Eine Aufzeichnung des englischsprachigen Webinars können Sie sich hier kostenlos herunterladen.