Modulare Produktentwicklung ist ein Dauerbrenner, sowohl bei den Verantwortlichen in der Entwicklung als auch in Unternehmensführungen. Die Gestaltung von Produktfamilien auf Basis von Modulen wird mit zahlreichen Vorteilen assoziiert – schnellere Entwicklung von Produktvarianten, geringere Gesamtentwicklungskosten, größere Auswahl für den Kunden, Senkung der Beschaffungs- und Produktionskosten, erhöhte Innovationsfähigkeit um hier nur einige zu nennen.
Aber wie genau unterscheidet sich modulare Produktentwicklung von der traditionellen (projektorientierten) Produktentwicklung? Und wie hängen die oben genannten Vorteile mit dem Vorgehen bei der Modularisierung zusammen? Und vor allem, ist Modularisierung die Lösung für jedes Unternehmen und jeden Produktkontext?
In diesem Blogartikel stellen wir modulare und traditionelle Produktentwicklung gegenüber und identifizieren die größten Unterschiede, so dass Sie entscheiden können, welcher Entwicklungsansatz für Ihren Unternehmens- und Produktkontext der passende ist.
Unterstützen Ihre Entwicklungsmethoden Ihre Unternehmensstrategie?
Die meisten Unternehmen sind in mehreren Marktsegmenten und Regionen tätig. Um im Wettbewerb zu bestehen, müssen Sie ihren unterschiedlichen Kunden individuelle, auf ihre Anforderungen zugeschnittene Produkte mit immer neuen Funktionen und Leistungen anbieten können. Zudem suchen Unternehmen kontinuierlich nach Möglichkeiten, ihre Organisation und interne Prozesse zu optimieren und internes Silodenken zu überwinden, um so Synergien zu schaffen.
Die Herausforderung besteht darin, die Marktnachfrage nach kundenindividuellen Produkten zu befriedigen und gleichzeitig interne Kosten, Komplexität, Lieferzeiten und Entwicklungszeiten zu reduzieren.
Häufig besteht hierbei eine Diskrepanz zwischen der Marktsituation eines Unternehmens, seiner eigenen Strategie und dem Vorgehen bei der Produktentwicklung. Verschiedene Entwicklungsansätze zielen zwar alle auf die Optimierung der Lösung ab, aber unterschiedliche Optimierungsprozesse verfolgen unterschiedliche Ziele. Das Unternehmen möchte seinen Ressourceneinsatz minimieren, die Rentabilität steigern und agil auf Marktentwicklungen reagieren. Ohne einen ganzheitlichen Ansatz lassen sich hier keine nachhaltigen Verbesserungen erzielen.
Ein Grund für diese Diskrepanzen liegt darin, dass Unternehmen in einer Produktentwicklungsschleife stecken, die auf einem traditionellen, projektorientierten Ansatz basiert. Jede Lösung wird für einen bestimmten Kunden oder ein bestimmtes Marktsegment mit spezifischen Anforderungen bezgl. Leistung, Funktion und Preis optimiert. Die einzelnen Entwicklungsprojekte werden an jeweils individuellen Zielvorgaben gemessen. Dies führt im Laufe der Zeit zu einer Vielzahl von integralen Produktarchitekturen die insgesamt gesehen komplex, ineffizient und nicht nachhaltig sind.
Modulare Produktentwicklung hingegen unterscheidet sich von diesem klassischen, projektorientierten Ansatz. Bei der Entwicklung werden die Gesamtheit der zu entwickelnden Produktvarianten sowie die Unternehmensziele gemeinsam betrachtet. So werden Lösungen entwickelt, die sowohl effizient als auch über längere Zeit flexibel anpassbar sind. Die daraus resultierende modulare Produktarchitektur ist eine nachhaltigere Antwort auf die Vielzahl verschiedener Kundenbedürfnisse in verschiedenen Marktsegmenten, da diese mit geringerer Komplexität und zu deutlich geringeren Gesamtkosten erfüllt werden können.
Ein solcher modularer Baukasten unterstützt außerdem die Innovationsfähigkeit, so dass kontinuierlich neue Funktionen und Leistungsstufen in den Markt gebracht werden können.
Im Folgenden zeigen wir Ihnen die Unterschiede zwischen modularer und traditioneller Produktentwicklung und die Einflüsse auf die resultierende Produktarchitektur, so dass Sie einschätzen können, welcher Produktentwicklungsansatz für Ihr Unternehmen und Ihre Produkte der passende ist.
Leseempfehlung: Erfahren Sie hier mehr darüber, wie Modularisierung Ihnen hilft innovativer zu werden.
Klassische, projektorientierte Produktentwicklung
Üblicherweise übersetzen das Produktmanagement oder der Vertrieb Kundenwünsche in eine Beschreibung der gewünschten Eigenschaften der neuen Produkte, und die Unternehmensführung legt ein Kostenziel fest. Folglich ist das Ziel des Entwicklungsteams entweder ein Design, das mit den vorgegebenen Eigenschaften ein möglichst günstiges Produkt, oder bei vorgegebenen Kosten ein möglichst leistungsfähiges Produkt ermöglicht. Dieser Zusammenhang wurde schon von Marples (1961) und Alexander (1964) beschrieben.
Die von Ulrich und Seering (1990) beschriebene Folge ist, dass Entwicklungsteams häufig komplexe Gestaltungen entwerfen, die aus Baugruppen mit stark voneinander abhängigen Funktionen bestehen, deren Konstruktionen integriert sind, um die besten Kosten bzw. die größtmögliche Leistung zu erreichen. Diese Optimierungsmethode führt daher zu integralen Produktarchitekturen mit stark verflochtenen Komponenten.
Der Bedarf an zusätzlichen Produkten, um andere Leistungsniveaus, Preisniveaus oder regionale Anforderungen zu erfüllen, führt zu einer sequenziellen Abfolge von Entwicklungsprojekten. In nachfolgenden Entwicklungsprojekten werden Lösungen häufig in Form von Ableitungen oder Anpassungen von zuvor entwickelten Projekten erstellt. Die Komponenten sind in jedem neuen abgeleiteten Produkt auf ähnlich komplexe Art und Weise verflochten.
Im Laufe der Zeit entwickeln die meisten Unternehmen zahlreiche Produktfamilien, die aus vielen Produktvarianten bestehen. Das Ergebnis sind Hunderte von Baugruppen auf höchster Ebene und Tausende von individuellen Teilenummern. Die Pflege dieses Komplexitätsgrades ist außerordentlich teuer. Änderungen an den Produkten sind unumgänglich, um auf neue Marktbedürfnisse zu reagieren, mit der technologischen Entwicklung Schritt zu halten und dem Wettbewerb einen Schritt voraus zu sein.
Um diese Komplexität anzugehen, versuchen viele Unternehmen, Teile über mehrere Produktvarianten und Produktfamilien hinweg zu standardisieren. Bei integralen Produktarchitekturen können Änderungen an einzelnen Komponenten jedoch nicht isoliert vorgenommen werden. Wenn sich Änderungen über die Produktfamilien hinweg ausbreiten, führen die miteinander verflochtenen Komponenten dazu, dass aus einer technischen Änderung viele notwendige Anpassungen resultieren. Sanchez (1999) führt aus, dass die Komplexität dieser Änderungen exponentiell zunimmt, und die Anzahl der individuellen Teilenummern und Produkte diese Aufgabe übermäßig schwierig, kostspielig und zeitaufwendig macht.
Leseempfehlung: Wie groß sind die Komplexität und die daraus resultierenden Komplexitätskosten? Erfahren Sie hier wie Sie die Effekte von Modularisierung auf Komplexität, Kosten und Umsatz quantifizieren können.
Modulare Produktentwicklung
Bei modularer Produktentwicklung wird ein breiteres Spektrum an Kundenbedürfnissen und Anforderungen (häufig aus mehreren Marktsegmenten und Regionen) berücksichtigt. Modularisierung zielt hierbei auf die Gesamtrentabilität des Produktportfolios ab, - anstelle der Betrachtung von individuellen Kostenzielen Produkt für Produkt. Der Ansatz beinhaltet zudem eine strategische Perspektive: Die resultierende modulare Architektur ist so gestaltet, dass sie den sich ändernden Kundenbedürfnissen angepasst werden kann. Sie bietet so die Basis für Innovationen, so dass Produktfamilien über mehrere Generationen hinweg an aktuelle Kundenbedürfnisse und Technologien angepasst werden können.
Der Schlüssel eines modularen Systems besteht darin, die Abhängigkeiten zwischen Komponenten zu reduzieren und dann Module auf der Grundlage der strategischen Ziele des gesamten Produktportfolios zu optimieren, wobei ein Optimum zwischen notwendiger Komplexität und erwünschter Flexibilität gefunden werden muss. Dies wird erreicht, indem zunächst die Funktionen des Produktes identifiziert werden und anschließend strategisch den Bausteinen zugeordnet werden, die zu einem Produkt kombiniert werden können.
Bausteine mit Funktionen und Strategien werden zu Modulen, deren Schnittstellen dann möglichst standardisiert werden.
Mit stabilen, standardisierten Schnittstellen werden marktorientierte Varianten der Module entwickelt, um das Preis- oder Leistungsniveau anzupassen, neue Marktanforderungen zu erfüllen oder neue Technologien zu berücksichtigen, ohne das gesamte Produkt neu gestalten zu müssen.
Eine modulare Produktarchitektur ermöglicht den freien Austausch von Modulen, um eine effiziente, breite Palette von Produkten anbieten zu können.
Neue und bestehende Modulvarianten können zu einer großen Vielfalt von Produktvarianten, die eine Produktfamilie ergeben, kombiniert werden, wobei die Anzahl der neuen Komponenten auf ein Minimum beschränkt wird.
Die modulare Gestaltung führt zu einer modularen Produktarchitektur, die Kosten in mehrfacher Hinsicht erheblich senkt und sicherstellt, dass geforderte Portfolio, neue Technologien und Optimierung der Produktion mit minimierten Aufwänden erreicht werden.
Modulare oder traditionelle Produktentwicklung – welcher Ansatz passt zu Ihrem Unternehmen?
Traditionelle Produktentwicklung kann in Nischenmärkten, in welchen die Kunden nur geringe oder gar keine Variantenvielfalt von einem über die Zeit stabilen Produkt verlangen, effektiv sein. Es ist oft die beste Methode, um bahnbrechenden Erfolg auf einem neuen Markt zu erzielen, auf dem eine extrem hohe technische Herausforderung besteht. Da das erste Produkt oft schneller und mit weniger Aufwand auf den Markt gebracht werden kann, setzen viele Unternehmen auf klassische Produktentwicklung. Dieser Vorteil geht jedoch schnell verloren, wenn sich das Produktportfolio erweitert und im Laufe der Zeit gepflegt werden muss.
Modulare Produktentwicklung setzt einen anfangs größeren Arbeitsaufwand, das sogenannte Frontloading, voraus. In den initialen Entwicklungsphasen ist ein höheres Maß an Disziplin und ein höherer Einsatz von Unternehmensressourcen erforderlich, und es wird etwas länger dauern, bis das erste Produkt auf den Markt gebracht wird. Diese Investition ermöglicht jedoch schnell neue Erweiterungen der Produktfamilien mit deutlich kürzerer Zeit bis zur Markteinführung pro Produktvariante (Time-to-Market, kurz TTM), geringerer Komplexität und niedrigeren Kosten bei der Betrachtung des gesamten Produktportfolios, als es mit einem traditionellen Ansatz möglich wäre.
Unternehmen, die sich für modulare Produktentwicklung entscheiden, können feststellen, dass ihnen dieser fortschrittliche Entwicklungsansatz eine durchgängige Verankerung der Unternehmensstrategie in einem ganzheitlich entwickelten Produktportfolio ermöglicht – und dies bei insgesamt geringeren Entwicklungszeiten und Entwicklungskosten.
Wenn Sie denken, dass Modularität auch für Ihr Unternehmen und Ihre Produkte der richtige Weg sein könnte, wollen wir Ihnen unseren weiterführenden Artikel zur Definition modularer Produktarchitekturen empfehlen. Lesen Sie hier, wie Sie eine modulare Produktarchitektur definieren, inkl. Step-by-Step Anleitung:
Luther Johnson