Branchenübergreifend sehen sich Unternehmen der Herausforderung gegenüber, die eigene Innovativität zu steigern. Stetig zunehmender, auch internationaler Wettbewerb, kürzere Produktlebenszyklen, schrumpfende Qualitätsvorsprünge und steigender Preisdruck zwingen Unternehmen dazu, sich durch innovative Produkte und Dienstleistungen abzusetzen.
Das Ziel der Steigerung der eigenen Innovationsfähigkeit ist im Kontext immer komplexerer Produkte, die häufig monolithisch Projekt für Projekt entwickelt werden, zu sehen. Entwicklungsabteilungen stehen einem immer größer werdenden Berg an Komplexität gegenüber; es müssen neue, zunehmend digitalisierte, Lösungen entwickelt werden und dabei die bereits in den Markt gebrachte Variantenvielfalt im Auge behalten werden. Vor diesem Hintergrund nimmt die Geschwindigkeit vieler Entwicklungsabteilungen eher ab als zu.
Modularisierung und Variantenoptimierung sind hier die Mittel der Wahl, um wieder festen Boden unter die Füße zu bekommen und nicht im Sumpf der Komplexität zu versinken. Denn eine entsprechende Strukturierung in Module erhöht die Innovationsfähigkeit. Bei der systematischen Entwicklung eines modularen Baukastens wird Variantenvielfalt produktfamilienübergreifend geplant und die Variantenoptimierung reduziert Komplexität auf Baugruppen- und Bauteilebene durch das Erkennen von Varianztreibern und die Eliminierung vermeidbarer technischer Varianten
Vorsprung durch Innovation
Innovative Unternehmen sind erfolgreicher als weniger innovative Unternehmen – So zeigte eine Studie der Gesellschaft für Management und Beratung (WGMB) in Zusammenarbeit mit Accenture 2005, das innovative Unternehmen überdurchschnittlich rentabel sind. Besonders erfolgreich sind solche Unternehmen, denen es gelingt Ihre Innovationen bedarfsgerecht zu steuern, also vorab zukünftige Kundenanforderungen zu antizipieren und das eigene Innovationsmanagement entsprechend auszurichten. (Im Rahmen einer strategischen Portfolioanalyse wird eine solche Ausrichtung des eigenen Portfolios auf die Zukunft hin vorgenommen.)
Wie aber bereits in der Einleitung beschrieben, fällt es vielen Unternehmen schwer, ihre Innovationskraft und Innovationsgeschwindigkeit zu steigern. Das hängt auch mit der Strukturierung und der Historie der eigenen Produkte zusammen.
Leseempfehlung: Was sind die wichtigen Innovationen für Ihre Kunden? Lesen Sie hier, wie Sie mit einer bedarfsgerechten Marktsegmentierung systematisch Kundenwerte identifizieren und in Ihrem Baukasten verankern.
Mit dem passenden Grad an Modularität zu mehr Innovationsfähigkeit
Modulare Baukästen werden häufig mit Variantenreduktion, Standardisierung und Skaleneffekten verbunden. Durch den passenden Grad an Modularität kann aber auch die Innovationsfähigkeit gesteigert werden.
Modularität ist eine graduelle Eigenschaft eines Produktes. Sie kann durch die Attribute Entkopplung, Schnittstellenstandardisierung, Kombinierbarkeit, Funktionsbindung und Kommunalität beschrieben werden. Einige dieser Attribute beeinflussen auch die produktbezogene Innovationskraft und Innovationsgeschwindigkeit.
Ein Schlüssel zur Aufteilung eines Produkts in Module ist die Definition von standardisierten Schnittstellen. Diese ermöglichen den Austausch verschiedener Modulvarianten, so lange diese die gleichen Schnittstellen haben.
Module M3 und M4 können ausgetauscht werden, da sie die gleiche standardisierte Schnittstelle nutzen
Einhergehend mit der Standardisierung von Schnittstellen ist die Entkopplung von Modulen zu betrachten. Durch die Reduktion der Abhängigkeiten von Modulen auf wenige standardisierte Schnittstellen wird eine autonome Entwicklung und Weiterentwicklung einzelner Module ermöglicht.
Innerhalb der Module M1 und M2 gibt es diverse Wechselwirkungen der Komponenten, die Module sind jedoch voneinander möglichst entkoppelt
Bei der Zuordnung von Funktionen zu Modulen wird bei modularen Produkten außerdem die sogenannte Funktionsbindung angestrebt. Diese klare Zuordnung sorgt dafür, dass bei Veränderungen von Funktionen jeweils möglichst wenig Module betroffen sind.
Jede der Funktionen F1 bis F3 lässt sich klar einem bestimmten Modul zuordnen
Es zeigt sich, dass bei der Wahl der passenden Modularität, insbesondere durch die drei beschriebenen Attribute, Module relativ autonome Einheiten sind. Dies hat einen positiven Einfluss auf die Innovationsfähigkeit. Eine solche modulare Produktstruktur erleichtert es, Produkte innovativ zu entwickeln und weiterzuentwickeln, da diese Entwicklung auf Modulebene parallelisiert und unabhängig stattfinden kann.
Wird die Zerlegung in Module jedoch zu kleinteilig gewählt, kann sich der Effekt ins Negative verkehren. Die strikte Struktur und die zunehmende Anzahl von zu beachtenden Schnittstellen können die Kreativität der Entwickler einschränken. Die Einführung von modulübergreifenden Innovationen erfordert außerdem eine erhöhte Koordinations- und Kooperationsleistung.
Das Verhältnis von Modularität zu Innovationskraft und Innovationsgeschwindigkeit lässt sich daher in einer umgekehrten U-Kurve darstellen, bei der der passende Grad an Modularität zu einer maximalen Unterstützung der Innovationskraft und Innovationsgeschwindigkeit führt.
Um das Optimum, also den passenden Grad an Modularität zu finden, muss das Innovationsmanagement bei der Entwicklung des modularen Baukastens mit einbezogen werden und das Ziel einer gesteigerten Innovationskraft bei der Definition des Modulschnitts als Modultreiber berücksichtigt werden.
So kann Modularisierung als Katalysator für Innovationen dienen und Module können unabhängig voneinander schnelle Innovationszyklen durchlaufen. Neue Features finden so deutlich schneller Einzug in Produkte als bei monolithischen Neu-Entwicklungen.
Leseempfehlung: Was genau ist Modularität. Lesen Sie unseren weiterführenden Artikel zum Thema Definition von Modularität.
Weniger Komplexität, mehr Innovation
Neben einer solchen innovationsunterstützenden Modulstruktur können auch noch anders Innovationskapazitäten freigesetzt werden.
Es gibt eine Vielzahl verschiedener Methoden und Vorgehensweisen zur Modulschnitt Definition. . Das generelle Vorgehen ist jedoch meist gleich.
Im ersten Schritt, der Identifikation der Komponenten wird ein Produkt in seine Komponenten zerlegt, damit diese später zu Modulen zusammengefasst werden können.
Im Folgenden werden dann Abhängigkeiten der Komponenten analysiert, wobei die Art der analysierten Abhängigkeiten von der gewählten Methode abhängt. Final werden dann die Komponenten zu Modulen gruppiert. Das Ziel ist hierbei, die gefundenen Abhängigkeiten zu optimieren.
Über dieses methodische Sortieren hinaus lässt sich aber die Komplexität im Rahmen der Variantenoptimierung noch deutlich weiter reduzieren. Durch das gezielte Analysieren von technischen Teilevarianten und der Einflüsse, durch welche diese Teilevarianten entstanden sind, lässt sich die Vielfalt der technischen Lösungen häufig um 50% und mehr reduzieren.
Bei der Variantenoptimierung wird ein tiefes analytisches Verständnis für die Gründe der Entstehung von technischen Teilevarianten erzeugt. Diese Transparenz der bisher entwickelten technischen Lösungen stellt in sich schon einen Innovationsschub auf der Ebene der Baugruppen und Bauteile dar: Der Erkenntnis, dass ein bestimmtes technisches Lösungsprinzip zu hoher Teilevarianz führt, folgt die Frage, wie eine andere bessere Lösung aussehen könnte.
Unser Blog-Artikel „Variantenfielfalt optimieren“ inkl. Schritt-für-Schritt-Anleitung zeigt einen detaillierten Überblick und stellt eine Methode zur Variantenoptimierung vor.
Die so beschriebene Komplexitätsreduktion setzt Entwicklungskapazitäten frei, die wiederum die Innovationskraft stärken. Zeit und Aufwand, der zuvor in die Pflege und das Änderungsmanagement bereits entwickelter Produkte sowie in die Entwicklung eigentlich unnötiger technischer Lösungen geflossen sind, können nun für neue Innovationen genutzt werden.
Innovationen gedeihen in der richtigen Umgebung
Aber auch die Organisation der Entwicklungsarbeit kann Innovation fördern oder auch hemmen. Beim Entwickeln wirklicher Innovationen wie auch beim Erlernen der modularen Produktentwicklung in einem Unternehmen spielt die Zusammensetzung des Teams eine wichtige Rolle.
So empfiehlt z.B. das Design Thinking, einer der meist genutzten Methoden zum Entwickeln wirklicher Innovationen, das Arbeiten in Teams und in Netzwerken von Teams. Diese Teams zeichnen sich durch eine hohe Diversifikation an Expertise aus, also eine Vielzahl verschiedener Fähigkeiten und Wissenshintergründe bei den Team-Mitgliedern. So wird von Anfang an eine möglichst breite Wissensbasis genutzt.
Weiterhin sollte in der Zusammensetzung eine gewisse Durchmischung der Managementebenen gegeben sein, so dass sowohl Entscheider als auch operative Mitarbeiter beteiligt sind. So verfügt die Gruppe über eine breite Erfahrungsbasis mit strategischer und operativer Perspektive, außerdem gibt die Einbindung des Managements den Teams die Kraft Entscheidungen zu treffen und Veränderungen in Gang zu setzen.
(Diese Prinzipien für Teams zum Entwickeln von Innovationen gleichen übrigens denen, die für die Zusammensetzung und das Mandat einer Pilotgruppe im Rahmen der Entwicklung eines modularen Baukastens gelten. Die Aufgabe einer solchen Pilotgruppe ist es, ein für das Unternehmen und dessen Ziele passendes Vorgehen zur Baukastentwicklung zu finden und zu erproben.)
In Summe: Mehr Innovationskraft durch modulare Entwicklung
Viele Unternehmenslenker und Entwicklungsleiter fühlen sich überfordert durch die Vielzahl von Entwicklungstrends, denen Sie sich widmen müssen, z.B. Modularisierung, Digitalisierung, agile Produktentwicklung, Innovationsmanagement und viele weitere andere Themen stehen auf der Tagesordnung.
Im Fall von Modularisierung und Innovation zeigt sich, dass es sich um komplementäre Ziele handelt. Durch die gemeinsame Betrachtung und Bearbeitung der beiden Themenbereiche werden die Verknüpfungen sichtbar und es lassen sich Synergien erzielen. Insbesondere zum Anfang der Entwicklung eines modularen Baukastens, wenn es um die Definition der modularen Produktarchitektur, den sogenannten Modulschnitt, geht, sollten Innovationsziele bei der Definition von einem Modulschnitt berücksichtigt werden.
Erfahren Sie hier mehr dazu, wie Sie spezifische strategische Ziele bei der Definition ihres Modulschnitts berücksichtigen können – Unser Blogartikel stellt ihnen die verschiedenen Methoden zur Definition einer modularen Produktarchitektur vor und bietet eine Schritt-für-Schritt-Anleitung zum Download.