Modulare Produktarchitekturen versprechen verbesserte Skaleneffekte durch Wiederverwendung standardisierte Bauteile und technische Lösungen. Kombiniert man Modularisierungsansätze bereits in der frühen Phase der Produktentwicklung mit den Strategien des Supply Chain Managements, werden weitere Effizienzsteigerungspotenziale frei. Außerdem ergeben sich positive Effekte auf die Umsetzung regionaler Anfroderungen sowie die Robustheit der gesamten Lieferkette.
Seit der industriellen Revolution stellt die Optimierung der Lieferketten eine der Hauptherausforderungen für Unternehmen dar. Neben dem Bestreben, Material- und Ressourcenverschwendung zu minimieren und Produktionsmengen zu konsolidieren, sind in den vergangenen Jahren auch zunehmend Faktoren wie Resilienz, Flexibilität und Agilität in den Fokus der Lieferkettenoptimierung gerückt.
Viele Unternehmen tun sich jedoch immer noch schwer mit dieser Herausforderung. Produktentwicklung, Einkauf, Produktionsplanung und Vertrieb agieren oft unabhängig voneinander. Dazu können Redundanz- und Skaleneffekte nicht genutzt werden. Um eine robuste Lieferkette aufzubauen gilt es das Lieferkettendesign bereits in der frühen Phase der Produktentwicklung zu berücksichten. So können Modularisierungsstrategien auf die gesamte Lieferkette – von Lieferanten bis hin zum Vertrieb – übertragen werden.
Dieser Artikel zeigt wie die Definition von modularen Produktarchitekturen basierend auf der Modular-Function-Development-Methode (MFD-Methode) zu kürzeren Lieferzeiten, einer verbesserten Erfüllung regionaler Anforderungen und einer gesteigerten Robustheit der Lieferkette beitragen können.
Um die Wertschöpfung zu steigern setzen viele Unternehmen bei der Gestaltung Ihrer Lieferketten seit den 90er Jahren auf die Prinzipien des Lean Management für die Optimierung ihrer Lieferketten, eine Strategie aus Japan, bei der es darum geht Verschwendung in der Lieferkette zu minimieren, die Effizienz zu steigern und die Kundenzufriedenheit zu maximieren.
Bei diesem Ansatz werden jedoch moderne Anforderungen an Lieferketten nicht ausreichend berücksichtigt. Durch verkürzte Innovationszyklen müssen Lieferketten heute deutlich flexibler und gleichzeitig robuster gegen äußere Einflüsse sein.
Die Modularisierung gemäß der MFD-Methode ist eine notwendige Ergänzung, um diese Anforderungen zu erfüllen. Hierbei handelt es sich um einen systematischen Ansatz, um Kundenbedürfnisse und Unternehmensziele gezielt in modulare Produktarchitekturen zu integrieren. Diese Methode trägt dazu bei, die Effizienz, Flexibilität und Robustheit der Lieferkette zu steigern und das volle monetäre Potenzial für Unternehmen langfristig zu sichern.
Wie genau Modulstrategien auf Lieferketten übertragen werden können, zeigen die folgenden Ausführungen am Beispiel der Lieferkettenplanung eines modular aufgebauten Rasenmäherroboters.
Der erste Schritt zur Optimierung der Wertschöpfung in der Lieferkette ist die Trennung der der Produktstruktur in Module basierend auf der technischen Variantenvielfalt innerhalb der Struktur. Je nach Standardisierung, Innovationshäufigkeit und Kundenindividualisierung, muss die Anzahl der Varianten bestimmt, und geprüft werden, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass kurzfristige Änderungen durchgeführt werden müssen. Hierzu empfiehlt es sich die Modulgruppen nach den strategischen Dimensionen der MFD zu ordnen:
Auf dieser Basis können dann tiefgreifende Entscheidungen zu Änderungen am Lieferkettendesign getroffen und Prozessverbesserungen abgeleitet werden.
Abb. 1: Modulabgrenzung nach der MFD-Methode
Auf Basis der definierten Module kann nun die Endmontage optimiert werden. So können Module mit hoher Varianz außerhalb der Hauptlinie vormontiert werden. Dadurch vereinfachen sich die folgenden Montageschritte und Vorlaufzeiten werden reduziert.
Abb. 2: Optimierung der Endmontage und Konfiguration durch Modularisierung
Im nächsten Schritt geht es darum die Differenzierung, also die Module mit hoher Varianz, auf spätere Phasen der Montage zu schieben. So kann ein großer Teil der Montage unabhängig von einzelnen Kundenbestellungen optimiert werden und es kann ein Vorrat an vormontierten Produkten aufgebaut werden, die kurzfristig für individuelle Kundenbestellungen individualisiert und finalisiert werden können. Die interne Durchlaufzeit wird von der Durchlaufzeit beim Kunden durch späte Neu-Konfiguration/Fertigstellung entkoppelt.
Am Beispiel des Rasenmäherroboters bedeutet das: Das Chassis-Modul mit maximalem Standardisierungspotenzial wird vorgefertigt, danach werden Motor und Panel montiert und erst dann werden Präferenzen wie Farben und Ästhetik konfiguriert. Bei dieser Strategie spricht man auch vom so genannten „Front-Loading“.
Abb. 3: Optimierung der Endmontage und Konfiguration durch Modularisierung
Durch die Modulstrategie und insbesondere den Ansatz des Front Loadings, entstehen lokale Fertigungsvorteile in globalen Lieferketten. Dadurch können globale Ressourcen strategisch genutzt und geografischen Schwankungen besser absorbiert werden. Durch die Konzentration der Modulentwicklung oder -produktion auf bestimmte Standorte werden die Ressourcen effizienter eingesetzt. Gleichzeitig wird der Bedarf an doppelter Technologie reduziert und der Wettbewerbsvorteil der einzelnen Werke effektiver genutzt. Unterschiedliche Produktionsmengen können zwischen den Standorten ausgeglichen werden. Im Rahmen des so genannten „Near Shorings“ können zudem Teile mit hoher Varianz, die oft nur in geringen Stückzahlen hergestellt werden, kosteneffizienter beschafft werden. Das verhindert Umsatzeinbußen oder Kundenverluste.
Abb. 4: Lokale Fertigungsvorteile in globalen Lieferketten durch Modularisierung
Die Robustheit und Widerstandsfähigkeit einer Lieferkette bezieht sich auf die Fähigkeit einer Lieferkette, Störungen und Veränderungen zu widerstehen und sich schnell von diesen zu erholen, so dass ihre kritischen Funktionen erhalten bleiben oder schnell wiederhergestellt werden. Widerstandsfähige Lieferketten sind in der Lage, Störungen zu absorbieren und sich an sie anzupassen und gleichzeitig die Auswirkungen auf den Betrieb, den Kundenservice und die Gesamtleistung zu minimieren.
Durch die Abgrenzung von standardisierbaren Modulen entstehen auch positive Effekte auf die Arbeitsprozesse. Die Montage wird einfacher und weniger fehleranfällig. Dadurch kann die Effizienz gesteigert und Kosten durch Qualitätsprobleme reduziert werden.
Die Modulstrategie kann zudem für die Auswahl geeigneter Verfahren und Lieferanten genutzt werden:
Operative Exzellenz:
Die Kombination von Lean Supply Chain Management und Produktmodularisierung nach der MFD-Methode ist ein bewährter Ansatz zur Steigerung der Wertschöpfung über die gesamte Lieferkette hinweg. Dies konnte bereits in zahlreichen Kundenprojekten beobachtet werden. So konnte der internationale Anbieter von Testsystemen, MTS, beispielsweise die Projektdurchlaufzeiten um 70% reduzieren und die Kosten für Kundenprojekte um 30% senken. Bosch Thermotechnology (TT) konnte die Montagezeit seiner Produkte um 50% reduzieren.
In unserem Guide “How to design for agile line production” erhalten Sie weiterführendes Wissen darüber, wie Sie Modularität nutzen können, um effiziente Lieferketten aufzubauen.