In diesem Blogartikel werden wir uns einem Themengebiet der Modularisierung widmen, dass an der Schnittstelle von Markt & Kundenbedürfnissen und Technologie steht. Die Abbildung zeigt Die Einordnung im größeren Gesamtkontext des MFD-Prozesses (Modular Function Deployment).
Leseempfehlung: Sie interessieren sich dafür, wie Sie die modulare Produktarchitektur als Basis Ihres modularen Baukastens definieren? In unserem Artikel stellen wir Ihnen 3 Methoden zur Entwicklung der modularen Struktur vor.
In unserem letzten Artikel zum Thema „Produktmanagement & Modularisierung: Was wollen Ihre Kunden wirklich?“ haben wir beschrieben, wie Unternehmen systematisch Marktsegmente anhand des Kundenbedarfs definieren können. Wir haben gezeigt, dass sich einzelnen Marktsegmenten bestimmte Kundennutzenprofile zuordnen lassen, in denen die Relevanz verschiedener Kundennutzen für das jeweilige Marktsegment abgebildet ist.
Diese systematische Ermittlung des Kundenbedarfs und die Definition einer passenden Marktstrategie ist die Voraussetzung dafür, den Kundennutzen im Rahmen einer Modularisierung in der Produktarchitektur zu verankern. Wie die Abbildung zeigt, ist die Definition einer passenden Marktarchitektur eines der Fundamente für die erfolgreiche Entwicklung, Implementierung und Nutzung einer für zukünftige Anforderungen anpassungsfähigen modularen Produktarchitektur.
Es reicht nicht aus, die angestrebten Niveaus verschiedener Kundennutzen für Marktsegmente und Produktvarianten zu kennen. Damit diese im modularen Baukasten verankert sind, müssen sie in die Produktspezifikation eingehen. Dies gelingt, indem die technischen Produkteigenschaften im Rahmen der Marktarchitekturdefinition mit den verschiedenen Kundennutzen und Kundenwerten verknüpft werden.
In diesem Blog zeigen wir Ihnen, wie Kundennutzen in der Produktspezifikation verankert werden und wie es gelingt, neue Produkte mit verbessertem Kundennutzen zu definieren und dann in technische Spezifikationen zu übersetzen.
Die Verknüpfung von Produktspezifikation und Kundennutzen ist als Teil einer übergeordneten Marktstrategie zu sehen. Das Ziel besteht darin, ein zukunftsfestes Produktportfolio zu bestimmen, bei dem für die einzelnen Produktvarianten klar definiert ist, wie die Produkteigenschaften den Kundenbedarf erfüllen.
Im Rahmen dieses Artikels werden wir im Detail auf die Bereiche Zukünftige Produkte und Produktspezifikationen eingehen. Hier zunächst ein kurzer Überblick über alle Themenbereiche:
Wie die Grafik illustriert werden im Rahmen der Definition der zukünftigen Produkte der Kundenbedarf und die Produkteigenschaften miteinander verknüpft, so dass für die weitere Entwicklung der modularen Produktarchitektur der Kundenbedarf in dieser verankert ist.
Um für den Kontext dieses Blogartikels die abstrakten Begriffe Kundenbedarf, Kundennutzen und Kundenwerte etwas greifbarer zu machen wollen wir hier noch einmal kurz darstellen wie diese im Rahmen der Marktstrategie definiert werden. Die Grafik stellt die Hierarchie der drei Begriffe am Beispiel des Handstaubsaugers, welches wir für diesen Artikel nutzen werden, dar.
Der Customer Experience Cycle (CEC) beschreibt sämtliche Phasen, in denen der Kunde das Produkt erlebt – also nicht nur die Nutzung, sondern auch Planung der Anschaffung, Kauf, Installation, dann die tatsächliche Nutzung, kontinuierliche Kontrolle und Regulierung der Nutzung, Wartung und Reparatur sowie schließlich Entsorgung und Ersatz des Produkts.
Für das einfache Beispiel unseres Handstaubsaugers reduziert sich die Betrachtung auf die drei Phasen Kauf, Nutzung und Wartung & Reparatur. In diesen Phasen betrachten wir jeweils, welche Aufgaben der Kunde mit dem Produkt durchführt und was seine gewünschten Ergebnisse bei diesen Aufgaben sind.
Aus den Aufgaben und gewünschten Ergebnissen werden dann die Nutzen, die sich der Kunde von dem Produkt erwartet abgeleitet.
Für die spätere Zuordnung zu technischen Produkteigenschaften lassen sich die einzelnen Kundennutzen noch weiter in Kundenwerte ausdetaillieren. Hierauf kommen wir später zurück.
Im Rahmen der Definition der Marktsegmente wurden Kundensegmente auf Basis ähnlicher Präferenzprofile definiert.
Leseempfehlung: Wenn Sie sich dafür interessieren, wie Sie beim Definieren von Marksegmenten auf Basis des Kundenbedarfs vorgehen sollten, lesen Sie hier unseren Artikel „Produktmanagement & Modularisierung: Was wollen Ihre Kunden wirklich?“
Diese Kundennutzenprofile lassen sich wie in der Grafik zu sehen einfach in Form von Liniendiagramm darstellen. Der Maßstab hierbei ist das gewünschte Nutzenprofil eines gewählten Marktsegments. Dieses Nutzenprofil kann nun in einem Benchmark mit den aktuellen Produkten des Unternehmens sowie mit den stärksten Produkten konkurrierender Anbieter verglichen werden.
Aus diesem Vergleich lässt sich erkennen, in welchen Bereichen die eigenen Produkte hinter der Konkurrenz zurückbleiben, wichtiger aber noch, in welchen Bereichen die eigenen Produkte hinter den Erwartungen in unterschiedlichen Marktsegmenten zurückbleiben. Für unser Beispiel sehen wir, dass im Marktsegment Francis Family das aktuelle Produkt des Unternehmens in den besonders wichtigen Kundennutzen „Reinigt gut“ und „Einsatzflexibilität“ hinter dem Anforderungsprofil des Marktsegments und hinter dem Konkurrenzprodukt zurückbleibt.
Aus der Gap-Analyse zwischen den aktuellen Produkten des Unternehmens, den stärksten Produkten der Konkurrenz und den tatsächlichen Anforderungen des entsprechenden Marktsegmentes ergeben sich direkt Zielsetzung für die einzelnen Kundennutzen. Auf Basis dieser Zielsetzung lässt sich nun ein zukünftiges Produkt in Form eines angestrebten Nutzenprofils definieren. In den einzelnen Marktsegmenten sollte jeweils sicher gestellt werden, dass in den Bereichen, die den Kundensegmenten besonders wichtig sind hohe Leistungsniveaus erreicht werden und dass sich die eigenen Produkte in wichtigen Bereichen von den Produkten der Wettbewerber abheben.
So ergibt sich für unser Beispielprodukt, dass im Marktsegment Francis Family die Performance in den Bereichen „Reinigt gut“ und „Einsatzflexibilität“ für ein zukünftiges Produkt verbessern werden sollte. So kann dem Anforderungsprofil des Marktsegments entsprochen werden und die Konkurrenz überholt werden.
Für den Kundennutzen Aussehen hingegen zeigt sich, dass die Performance des aktuellen Produkt über dem vom Markt honorierten Niveau liegt. Hier bietet sich die Möglichkeit beim Entwurf des zukünftigen Produkts Überspezifikation zu vermeiden und z.B. auf weniger hochwertige und kostengünstigere Materialien zurückzugreifen.
Wie beschrieben lassen sich aktuelle Produkte, zukünftige Produkte und Konkurrenzprodukte in Form von Kundennutzenprofilen beschreiben. Im nächsten Schritt geht es nun darum die Markt- und Kundensicht mit der Technologie zu verknüpfen. Hierzu werden Kundennutzenprofile in technische Produktspezifikationen übersetzt. Diese Produktspezifikationen beschreiben für verschiedene Produkteigenschaften die benötigte technische Ausprägung.
Die Produkteigenschaften erlauben es, verschiedene technische Aspekte des Produktes zu beschreiben. Diese Eigenschaften sind hierbei so formuliert, dass diese im vorgegebenen Kontext möglichst Lösungsneutral formuliert sind. Die Produkteigenschaften für das Beispiel unseres Handstaubsaugers sind in der Abbildung in Zusammenhang mit den Bauteilen, die diese Eigenschaften aktuell ermöglichen, dargestellt.
Diesen technischen Produkteigenschaften lassen sich nun Ausprägungen zuordnen, so ist die Kapazität für trockenen Schmutz des aktuellen Produkts beispielsweise 0,8 l. Wenn im nächsten Schritt die Produkteigenschaften mit Kundennutzen verknüpft werden, lässt sich das Performance-Level für die verschiedenen Kundennutzen anhand der Ausprägungen der Produkteigenschaften bewerten.
Zur Verknüpfung der Kundennutzen mit den Produkteigenschaften nutzen wir das Quality Function Deployment (QFD) . Im Zentrum der QFD steht hierbei eine Was-Wie Korrelation in Form einer Matrix. Was braucht der Kunde? ↔ Wie stellt das Produkt Nutzen her? Auf diese Weise werden mithilfe der QFD Produkte oder Dienstleistungen systematisch daraufhin analysiert, wie sie wichtige Kundenanforderungen erfüllen. Ein entscheidendes Merkmal der QFD ist die Trennung bzw. die Verknüpfung von Kundensicht und Techniksicht. Die QFD eignet sich daher besonders für den Einsatz an der Schnittstelle zwischen den Bereichen Markt- & Kundenbedürfnisse und Technologie (siehe Abbildung zu Anfang).
Für unseren Fall nutzen wir die QFD, um zu analysieren, welchen Beitrag verschiedene Produkteigenschaften bei der Bereitstellung der verschiedenen Kundennutzen leisten. Wie in der Abbildung gezeigt, lässt sich die zentrale Korrelationsmatrix noch erweitern. Häufig werden z.B. die Abhängigkeiten verschiedener Produkteigenschaften analysiert und als Dach in Form einer Dreiecksmatrix über der zentralen Matrix eingetragen. Diese Form der Analyse wird auch als House of Quality bezeichnet.
Weiterhin lässt sich die Analyse um verschiedene zusätzliche Verknüpfungen erweitern, so werden wir im Folgenden die zuvor definierten Kundennutzenprofile sowie die Produltspezifikation an die zentrale Matrix andocken.
Wie bei der Erläuterung der Kundennutzen beschrieben, lassen sich die Kundennutzen in Form von Kundenwerten weiter ausdetaillieren. Diese Kundenwerte beschreiben die gewünschten Produkterfahrungen, die der Kunde im Kontext eines Kundennutzen machen und erleben möchte. Diese weitere Ausdetaillierung der Kundennutzen vereinfacht die Zuordnung von Produkteigenschaften zu Kundennutzen im folgenden Schritt.
Nachdem die Kundenwerte in die Zeilen und die Produkteigenschaften in die Spalten der Matrix eingetragen sind, lässt sich nun der Einfluss der Produkteigenschaften auf die Kundenwerte evaluieren. Wir nutzen hierbei typischerweise eine logarithmische Skale mit en Bewertungen „0 – kein Einfluss“, „1 – schwacher Einfluss“, „3 – mittlerer Einfluss“ und „9 – starker Einfluss“.
Wir können nun mithilfe dieser Matrix für einzelne Marktsegmente die Produktspezifikationen unseres zukünftigen Produkts ableiten. Hierzu ergänzen wir die Matrix auf der rechten Seite um die Kundennutzenprofile, die wir zuvor definiert haben. Als Referenz tragen wir außerdem die Spezifikation des aktuellen Produkts für die jeweilige Produkteigenschaft ein.
Nun können wir die Kundennutzen im einzelnen überprüfen. So wollen wir für unser Beispielprodukt z.B. eine sehr hohe Performance für den Kundennutzen „Reinigt gut“ erreichen. Unsere QFD-Matrix zeigt uns, dass dieser Kundennutzen in besonderem Maße von den Produkteigenschaften „Saugleistung“ und „Schmutzabscheidersystem“ abhängt. Mit dem Entwicklungsteam können diese Produkteigenschaften nun so spezifiziert werden, dass das benötigte Performance-Level ermöglicht wird.
Wir sehen hier, dass unser aktuelles Produkt mit einem „Mechanischen Filter“ und einer „Saugleistung“ von „350 W“ nur eine hohe Performance erreicht. Das Entwicklungsteam entscheidet, dass hier die Erhöhung der „Saugleistung auf „500 W“ die gewünschte Erhöhung der Performance für diesen Kundennutzen ermöglicht.
Auf diese Weise können wir für alle Kundennutzen die Produkteigenschaften so spezifizieren, dass die benötigten Performancelevel erreicht werden. Die beschriebene Verwendung der QFD für die Spezifikation haben wir nochmal hier in einem Video für Sie nachvollzogen.
Über die Produkteigenschaften gelingt es, die Markt- und Kundensicht mit der Technologie bzw. technischen und Software-Lösungen zu verknüpfen. Die Produkteigenschaften sind daher für das weitere Vorgehen in der Modularisierung der Dreh- und Angelpunkt. So zeigt sich im Rahmen der QFD-Bewertung, dass einige Eigenschaften für den Erfolg von Produkten für bestimmte Marktsegmente entscheidend sind, wir sprechen hier von sogenannten „Benchmark Product Properties“. Diesen Produkteigenschaften wird im Rahmen der Planung von Technologie- und Produktroadmaps besondere Aufmerksamkeit gewidmet.
Für die Profitabilität eines modularen Baukastens ist dessen Lebensdauer ein entscheidender Faktor. Es gilt daher, die modulare Produktarchitektur robust gegenüber zukünftigen Entwicklungen von Markt und Technologie zu gestalten. Dies gelingt, indem der Kundenbedarf und die zukünftige Entwicklung des Kundenbedarfs in der Architektur des Baukastens verankert werden: Die Verknüpfung von Kundennutzen und Produkteigenschaften ermöglicht eine zielgenaue Produktentwicklungen und unterstützt Innovations- und Technologieentscheidungen. Das Ergebnis ist ein flexibler und zeitlich stabiler modularer Baukasten.
Leseempfehlung: Wenn Sie erfahren wollen wie Sie die Profitabilität eines modularen Baukastens bewerten können, lesen Sie unseren Artikel zu dem Thema „Profitabilität im Variantenmanagement - So senken Sie Komplexitätskosten“
Für den langfristigen Erfolg eines modularen Baukastens ist die Verankerung von Unternehmensstrategie und Kundenbedarf in der modularen Produktarchitektur entscheidend. Wir haben in diesem Artikel gezeigt, wie es gelingt, den Kundennutzen über die Produkteigenschaften in der Produktspezifikation zu verankern.
Die Abbildung zeigt wie in der zentralen Methode für diesen Schritt, der QFD-Matrix, Produkteigenschaften mit Kundennutzen korreliert werden, um zu angestrebten Kundennutzenprofilen passende Produktspezifikationen zu definieren. Das Ergebnis sind die Zielwerte für die Produkteigenschaften, die sogenannten „product goal values“.
Wir bieten Ihnen hier die Möglichkeit, das gezeigte Vorgehen in einem ersten Schritt auf Ihren Produkt-, Markt- und Unternehmenskontext anzuwenden. Sie können hierfür das zuvor indem Video gezeigte Excel-Template nutzen, welches Sie unter dem folgenden Link kostenfrei herunterladen können:
Senior Consultant
ingo.bogemann@modularmanagement.com
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