So verlassen Sie das Hamsterrad immer neuer Kostenreduktionsinitiativen

Markus Lotz

Jedes marktwirtschaftliche Unternehmen möchte seinen Kunden die bestmöglichen Produkte anbieten und gleichzeitig angemessene Gewinne erwirtschaften, um langfristig am Markt durch Innovation und neue Technologien bestehen zu können.  

Die Herausforderung besteht jetzt darin, dass Kunden unterschiedliche Präferenzen haben. Das führt zu Produktvielfalt, die möglichst effizient im Unternehmen entwickelt, produziert und vermarket werden sollte.  Eine große Vielfalt an angebotenen Produktvarianten nimmt auf diese Weise Einfluss auf die gesamte Wertschöpfungskette und führt zu einer erhöhten unternehmensinternen Komplexität. Die Grafik veranschaulicht die Zunahme von angebotener Variantenvielfalt in der Automobilindustrie im Verlauf des 20. Jahrhunderts: 

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Diese immer weiter steigende Komplexität führt zu Symptomen im Unternehmen, ähnlich einer Krankheit – steigende Kosten, verlangsamte Entwicklung, verringerte Innovationsfähigkeit. Anstelle der Bekämpfung der Komplexität und deren Ursachen kommt es aber meistens zur Behandlung der Symptome auf Abteilungsebene. Ein typisches Beispiel hierfür sind Initiativen zur Kostenreduktion auf Teile- oder Produktebene. Diese Initiativen benötigen Geld und Energie, um Symptome kurzzeitig zu lindern. Da aber die zugrunde liegende Komplexität und deren Ursachen nicht angegangen werden, bedarf es immer neuer Initiativen zur Kostenreduktion, um mit der stetig steigenden Komplexität im Unternehmen Schritt zu halten.  

Die Beteiligten sind in einem Hamsterrad gefangen, welches verhindert, dass Komplexität nachhaltig vermindert wird. Um diesen Hamsterrädern zu entkommen, müssen die Ursachen der Komplexität verstanden werden. Nur dann kann es gelingen, mit den richtigen strategischen Maßnahmen nachhaltige Veränderungen zu bewirken. 

Dieser Blog soll Ihnen Handlungsempfehlungen liefern, wie Sie diese Hamsterräder aus Initiativen mit mäßigen langfristigen Ergebnissen verlassen können, um stattdessen die Ursache von Komplexität im Unternehmen nachhaltig mit sichtbaren Resultaten auf der Gewinn- und Verlustrechnung kontrollieren zu können.  

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Konkurrierende (?) Unternehmensziele

Die Ziele der unternehmerischen Geschäftstätigkeit lassen sich anhand drei strategischer Ausrichtungen oder Dimensionen beschreiben. Die operative Exzellenz steht für die Effizienz der gesamten Wertschöpfungskette, die Produktführerschaft beschreibt die Innovationskraft und die sich daraus ergebende Marktpositionierung, die Dimension Kundennähe steht für die Fähigkeit, Kunden individuell passende Lösungen anbieten zu können. Wie die Grafik zeigt, ist der unternehmerische Gesamterfolg und damit die Rentabilität zwischen diesen drei Achsen aufgespannt.

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Unternehmerische Zielstellungen setzen sich dementsprechend aus Zielen zusammen, die auf unterschiedlichen Achsen verortet sind – so sollen beispielsweise gleichzeitig Umsätze gesteigert, Kosten gesenkt und Innovation erhöht und schneller an den Markt gebracht werden. 

Häufig werden diese dreidimensionalen Zielstellungen mit eindimensionalen Maßnahmen angegangen. Ein typisches Beispiel sind Kostenreduktionsprojekte, z.B. in Form von Standardisierung auf Komponenten- oder Produktebene auf Basis von verkauften Produkten der Vergangenheit und dem Herausnehmen der „Low-Runner“.  

Was zunächst einleuchtend klingt und operative Exzellenz verspricht, endet sehr schnell in der Erkenntnis, dass diese Standards nicht die Kundenbedarfe in der gewünschten Breite bedient. Umsätze werden nicht erreicht bzw. gehen zurück oder werden mit hohen Rabatten erkauft und die zuvor mit viel Arbeit definierten Standards müssen wieder und wieder angepasst werden ohne dass Zeit für Innovation in Richtung Produktführerschaft bleibt.  Die Hamsterräder kommen in Schwung. 

Wenn nur einzelne Dimensionen berücksichtigt und entsprechende Maßnahmen umgesetzt werden, führt dies zu Verschlechterungen bei den anderen DimensionenWie ein Gummibandeffekt. Beim zuvor beschriebenen Beispiel wird eine Maßnahme zur Verbesserung der operativen Exzellenz durchgeführt, ohne zu berücksichtigen, dass Kundennähe und Produktführerschaft unter dieser einseitigen Betrachtung leiden: 

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Im schlimmsten Fall führt dies zu einem kontinuierlichen Zyklus von Aktivitäten: Auf Standardisierung und Kostenreduktion folgt die Einführung neuer Varianten, um verlorenen Umsatz zu kompensieren. Damit dies gelingen kann bedarf es neuer Innovation, der dann in einer nächsten Runde eine Kostenreduktion und Standardisierung folgt, um die inzwischen gesunkene Effizienz wieder zu verbessern. In diesem Kreislauf steigt die Komplexität immer weiter an, was den Ablauf der Zyklen weiter beschleunigt. 

Die Schlucht zwischen Unternehmenszielen und Produktwelt

Warum aber gelingt es nicht, die Zieldimensionen ganzheitlich zu betrachten und übergreifende Ansätze zu finden, um alle Dimensionen gleichzeitig zu befriedigen und Komplexität nachhaltig zu reduzieren und zu kontrollieren? 

In vielen Unternehmen existiert eine Lücke zwischen dem was das Management mit der Geschäftstätigkeit erreichen will und dem dafür notwendigen Produktportfolio. 

Wie die Grafik zeigt, vertreten auf der einen Seite die Unternehmensführung und das Produktmanagement die Produktstrategie; es werden Ziele bezgl. Marktsegmenten, Portfoliovielfalt, Preisstrategie oder Profitabilität festgelegt. Dem gegenüber stehen die Entwicklungsabteilung, die Lieferkette (Operations/supply chainund der Vertrieb, die Entwicklung, Produktion und Vertrieb des Produktportfolios verantworten. 

Zwischen diesen beiden Bereichen tut sich oft eine Lücke auf, die dazu führt, dass Anspruch und Wirklichkeit nicht zusammenkommen – die Unternehmensziele, die auf der linken Seite in eine Produktstrategie überführt wurden, können in der Ausführung auf der rechten Seite nicht erreicht werden. Dieser Unterschied ist dann in der Gewinn- und Verlustrechnung eines Unternehmens sowie in der Bilanz sichtbar. 

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Um diese Lücke zu überbrücken und damit die Ursachen von Komplexität der Geschäftstätigkeit nachhaltig unter Kontrolle zu bringen, müssen Geschäftsziele und Produktsortiment in Einklang gebracht werden. 

Brücken bauen mit einer gemeinsamen Sprache

Um die Hamsterräder verlassen zu können und die Lücke zwischen Unternehmenszielen und Produktportfolio zu schließen, bedarf es eines gemeinsamen Verständnisses. Häufig fehlt jedoch dieses gemeinsame abteilungsübergreifende Verständnis in der Kommunikation mit der Unternehmensleitung. 

Leseempfehlung: Für eine gemeinsame Sprache bedarf es gemeinsamer Begrifflichkeiten. In unserem Beitrag bieten wir Ihnen Definitionen für die wichtigsten Begrifflichkeiten rund um Modularität. 

Das Ziel dieser gemeinsamen Sprache ist es, Kundenbedarfe in Produktmerkmale und technische Realisierung zu übersetzen. Sie muss deren Umsetzung in der Supply Chain nachvollziehbar machen und den ganzen Pfad der Wertschöpfung end-to-end in Zahlen übertragen, die für die Gewinn- und Verlustrechnung sowie für die Bilanz relevant sind.  

Mit dieser gemeinsamen Sprache kann ein Leitbild in den drei Dimensionen Produktführerschaft, operative Exzellenz und Kundennähe erarbeitet werden, dass dann im Unternehmen auf den notwendigen Ebenen kommuniziert wird. Dieses Leitbild muss eine Antwort darauf geben, wie Geschäftsziele in Form geeigneter quantifizierbarer Kennzahlen (KPIsausgedrückt werden sollen, und durch welche Maßnahmen diese Ziele erreicht werden können. 

Mit einem gemeinsamen Verständnis und quantifizierbaren Zielen kann es nun gelingen übergreifende strategische Schritte zu gehen, um alle drei Zieldimension der Geschäftstätigkeit aufeinander abgestimmt zu optimieren und damit Komplexität nachhaltig zu reduzieren.  

Dies gelingt mit einem am Kundenbedarf ausgerichteten Produktarchitektur einem sogenannten modularen Baukasten. Hierbei ist insbesondere die Ausrichtung am Kundenbedarf und der Unternehmensstrategie hervorzuheben – viele Unternehmen standardisieren oder modularisieren ihre Produktstruktur unter rein technischen Gesichtspunkten und müssen dann erleben, dass die erhofften Effekte ausbleiben und die beschriebenen Hamsterräder sich weiter drehen.

Mit Modularisierung konkurrierende Ziele erreichen

Eine modulare Produktarchitektur transformiert im Idealfall eine aus Kundensicht notwendige Produktvielfalt (Economy of Scopein eine durch standardisierte Schnittstellen weitgehend entkoppelte unternehmensinterne Kommunalität (Economy of Scale) bezogen auf Teile, Technologie, Software, Service, Produktionsprozesse usw.  

Oder anders ausgedrückt, ermöglicht Modularität den bestmöglichen innerbetrieblichen Kompromiss, um die für Ihre Kunden notwendige Produktvielfalt zur Verfügung zu stellen. Wie das Bild schematisch darstellt, ermöglicht es die modulare Produktarchitektur mit ihren standardisierten Schnittstellen, dass die angebotene Produktvielfalt vergrößert wird, während gleichzeitig die unternehmensinterne technische Vielfalt reduziert wird. 

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Aber wie gelingt dieser Spagat zwischen Reduktion der Komplexität und einem breitgefächerten Produktportfolio? Ein modularer Baukasten ist eine Sammlung von Bausteinen (Modulen), die auf verschiedene Weise konfiguriert werden können und sich an unterschiedliche Kundenbedürfnisse anpassen lassen. Im Laufe der Zeit werden weitere Module entwickelt, um neue Funktionen zu bieten oder bestimmte Leistungsparameter zu verbessern und gleichzeitig einen zielgerichteten und effizienten phase in/phase out im Produktsortiment umzusetzen. 

Ein modulares Produkt ermöglicht es so, Anpassungen, Optimierungen und Kostensenkungen in einzelnen Modulen durchzuführen, ohne dass es zu dem typischen Welleneffekt von Änderungen innerhalb des gesamten Produkts kommt. Die folgende Abbildung zeigt schematisch, wie in einem modularen Produkt durch den Austausch von variablen Modulen gezielt auf (zeitlich) veränderliche Anforderungen reagiert werden kann. 

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Leseempfehlung: Im Kern des Baukastens stehen die Module. Lesen Sie in unserem Beitrag, wie Sie die passende Modulstruktur definieren können. 

Die modulare Produktstruktur und das damit verbundene Informationsmodell ermöglichen dann einen abteilungsübergreifenden Fokus auf die Kundenbedarfe und das daraus abgeleitete Produktsortiment. Die Hamsterräder kommen zum Stillstand. Abhängigkeiten im gesamten Geschäftsprozess werden sichtbar gemacht und können quantifiziert werden. Die Lücke zwischen Unternehmenszielen und Produktportfolio ist jetzt überbrückt. Die Effekte, die ein auf diese Weise geänderte Herangehensweise auf Ihr Unternehmen hat, sind in der nachfolgenden Tabelle zusammengefasst. Es handelt sich hierbei um Durchschnittswerte aus Projekten, die Modular Management in den letzten 25 Jahren begleitet hat. 

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Leseempfehlung: Lesen Sie in unserem Beitrag zu den finanziellen Potenzialen der Modularisierung, wie es im Vorfeld der Modularisierung oder Optimierung vorhandener Produktarchitekturen gelingt, Potenziale zu quantifizieren und Ziele festzulegen. 

Hamsterräder verlassen und Komplexität nachhaltig reduzieren

Komplexe Aufgabenstellungen bedürfen der geeigneten Herangehensweise, um die in Unternehmen häufig anzutreffenden Hamsterrad Aktivitäten zu überwinden und die dabei freiwerdenden Ressourcen zu nutzen, um zukünftig schneller und effizienter Produkte entwickeln, produzieren und vermarkten zu können. Gleiches Verständnis und eine gemeinsame Sprache auf allen Unternehmensebenen erleichtern die Umsetzung und verhindert das Rückfallen in alte Handlungsmuster. 

Diese Herausforderung ist sowohl für Unternehmen, die sich dem Thema Modularisierung das erste Mal nähern, als auch für Unternehmen, die ihre modularen Produktarchitekturen optimieren wollen, relevant. Damit die modulare Produktentwicklung stabil auf dem Fundament der Modularisierungsstrategie stehen kann, muss die Organisation entsprechend vorbereitet und entwickelt werden. 

Unser Excel-Evaluierungstool erlaubt Ihnen direkt Bereiche identifizieren, in denen Maßnahmen nötig sind, um Ihre modulare Produktarchitektur langfristig erfolgreich zu machen:  

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Markus Lotz Autor

Markus Lotz

Managing Director
Modular Management Germany

markus.lotz@modularmanagement.com