Klassische Produktentwicklung ist häufig von Silodenken geprägt. Anstatt projekt- und abteilungsübergreifend zu arbeiten, werden Produkte und Projekte voneinander getrennt entwickelt und durchgeführt. Das Resultat: Im Laufe der Zeit wird das Produktportfolio immer größer und die Komplexität im Unternehmen steigt. Der Ausweg für viele Unternehmen ist ein modulares Baukastensystem, das Komplexität optimieren und so Mehrwert für das Unternehmen schaffen soll.
Das Problem dabei: Komplexitätsoptimierung durch Modularisierung lässt sich nicht über Nacht erreichen. Stattdessen handelt es sich um einen kontinuierlichen Transformations- und Wertschöpfungsprozess. Diesen einfach nur anzustoßen, reicht nicht aus. Stattdessen muss der Prozess auf allen Unternehmensebenen verankert und kontinuierlich weitergeführt werden. Viele Unternehmen stehen jedoch vor der Frage, wie sie dazu genau vorgehen sollen. Wie lässt sich der Wert eines Baukastensystems tatsächlich realisieren?
Nachdem wir uns in den ersten beiden Blog-Artikeln zum Thema Komplexitätsoptimierung damit beschäftigt haben, welchen Wert optimierte Komplexität für Ihr Unternehmen hat und wie dieser quantifiziert werden kann, werden wir uns im Folgenden mit der Frage beschäftigen, wie sich Komplexitätsoptimierung in der Praxis konkret umsetzen lässt. Dazu werden wir Ihnen ein Vorgehen in vier Schritten vorstellen. Für jeden Schritt werden wir uns ansehen, welche zentralen Elemente notwendig sind, um den Wertschöpfungsprozess zielgenau weiter voranzutreiben.
Schritt 1: Strategische Ziele und Roadmap für das Baukastensystem definieren
Der erste Schritt ist das Formulieren klarer strategischer Ziele, die für das gesamte Unternehmen nachvollziehbar sind. Im Zuge dieses Prozesses soll eine Vision als konkretes Leitbild entwickelt werden, welche Ziele das Unternehmen mit seiner Modularisierungsstrategie verfolgt. Außerdem geht es darum, einen Business Case für die modulare Produktarchitektur zu erstellen. Dies geschieht in den folgenden Teilschritten:
Zielvorstellung und Kennzahlen (KPIs) festlegen
Als Erstes gilt es, auf Basis der aktuellen Marktsituation strategische Ziele zu formulieren, die durch die Umstellung auf eine modulare Produktarchitektur erreicht werden sollen. Diese Ziele lassen sich in Form der Dimensionen Produktführerschaft, Kundennähe und operative Exzellenz beschreiben, die sich wiederum in den einzelnen Modulen eines Baukastensystems verankern lassen.
Leseempfehlung: Lesen Sie mehr über die drei strategischen Dimensionen in unserem Blog-Artikel “Mehr als nur geometrische Module: Warum Strategie im Baukastensystem wichtig ist”.
Parallel sollten spezifische Kennzahlen, die KPIs (Key Performance Indicators) definiert werden, mittels derer nachvollzogen werden kann, welche Fortschritte bereits erreicht wurden und es immer in die richtige Richtung geht. Damit dieser Schritt gelingt, ist es wichtig sicherzustellen, dass alle Stakeholder abteilungsübergreifend gleichermaßen beteiligt sind und Produktkomplexität nicht nur als gesondertes Problem einer einzelnen Abteilung verstanden wird.
Leseempfehlung: Für eine detaillierte Übersicht an KPIs, mit denen Sie den Grad der Modularität Ihres Unternehmens messen können, empfehlen wir Ihnen unseren Blog-Artikel “Modularisierung messen: KPIs für ein erfolgreiches und nachhaltiges Baukastensystem”.
Ist-Analyse und Quantifizierung der angestrebten Veränderung
Als Zweites gilt es zu verorten, wie der Status quo in Ihrem Unternehmen ist. Also: Woher stammen Ihre aktuellen Komplexitätskosten? Wie hoch sind gegenwärtig Ihre direkten Materialkosten? Welche Faktoren verlangsamen die Entwicklung neuer Produkte? Darauf aufbauend können Sie den Wert der zuvor festgelegten Modularisierungsziele für Ihr Unternehmen quantifizieren.
Roadmap ausarbeiten
Komplexität mit einem modularen Baukastensystem zu optimieren ist ein kontinuierlicher Prozess. Daher ist es wichtig, eine detaillierte Roadmap der Umsetzung für Ihr Unternehmen zu entwickeln, die nicht nur die zentralen Meilensteine des angestrebten Transformationsprozesses darlegt, sondern auch einen konkreten Startpunkt festlegt.
Übrigens: Wenn Unternehmen neu in die Entwicklung modularer Produktarchitekturen starten, hat es sich bewährt, nicht zu versuchen, sofort das ganze Produktportfolio anzugehen. Hier ist es sinnvoll, erste Erfahrungen und Erfolge in einem Projekt zu sammeln, das nur einen Teil des Portfolios umfasst, um dann anschließend zu planen, wie das Vorgehen auf das gesamte Unternehmen ausgeweitet werden kann.
Schritt 2 & 3: Modulare Produktarchitektur entwickeln und implementieren
Nach der Festlegung einer konkreten Zielvorstellung für den Transformationsprozess geht es im nächsten Schritt darum, das modulare System zu entwickeln und anschließend im Unternehmen zu implementieren. Da die beiden Schritte eng miteinander zusammenhängen, werden wir sie im Folgenden zusammengefasst betrachten.
Die Basis eines erfolgreichen Baukastens ist ein detailliertes Verständnis der Kundenbedürfnisse. Das Ziel des Baukastensystems besteht darin, die Kundenbedürfnisse und die strategischen Unternehmensziele in einer modularen Produktarchitektur zu verankern. Diese ermöglicht es dann, die vom Kunden geforderten Produkte mit optimierter interner Komplexität umzusetzen.
Analyse der Kundenbedarfe als Basis für die modulare Produktarchitektur
Ein Produkt ist am Markt und im Wettbewerb nur dann erfolgreich, wenn es Nutzen für die Kunden bringt und Überspezifikation vermeidet. Daher ist der erste Schritt bei der Entwicklung eines modularen Baukastens eine detaillierte Analyse der Marktgegebenheiten und Kundenbedarfe. Eine transparente und quantifizierbare Darstellung der verschiedenen Kundenbedürfnisse ermöglicht es, die erforderlichen Varianten für Ihren Zielmarkt herauszufiltern und zu entscheiden, welche Produktvarianten sowohl für Ihre Kunden als auch für Ihr Unternehmen von Wert sind.
Leseempfehlung: Erfahren Sie mehr darüber, wie ein modularer Baukasten Kundenbedarfe zielgenau bedient, in unserem Blog-Beitrag “Produktmanagement & Modularisierung: Was wollen Ihre Kunden wirklich?”.
Den Modulbaukasten systematisch umsetzen
Um Kundenbedürfnisse und strategische Ziele in eine Produktarchitektur mit optimierter Komplexität zu übersetzen, bedarf es eines systematischen Vorgehens. Bei Modular Management nutzen wir zum Erreichen einer optimalen modularen Produktarchitektur die Methode “Modular Function Deployment” (MFD®), welche aufbauend auf den Kundenbedarfen Funktionen und Lösungen identifiziert, passende Module und Schnittstellen definiert, Varianten und Konfigurationen festlegt und abschließend die Umsetzbarkeit der gesamten modularen Produktarchitektur als Baukastensystem bewertet.
Leseempfehlung: Wenn Sie mehr darüber wissen wollen, wie Sie Modularisierung in Ihrem Unternehmen umsetzen, lesen Sie unseren Beitrag “Modularisierung in 5 Schritten mit Modular Function Deployment®”.
Interdisziplinäre Teams zum Implementieren des modularen Systems
Für eine erfolgreiche Umsetzung im Unternehmen muss die Modularisierungsstrategie in alle Unternehmensbereiche eingebunden werden. Dazu ist es notwendig ein abteilungsübergreifend agierendes Team aufzustellen, das den Modularisierungsprozess steuert und die Verantwortung für dessen Durchführung trägt.
Ein wichtiger Teil der erfolgreichen Verankerung einer Modularisierungsstrategie im Unternehmen ist auch eine gemeinsame Sprache. Wichtige Definitionen und das Verständnis der Grundprinzipien müssen ganz zu Anfang einheitlich und verständlich definiert werden.
Leseempfehlung: Damit Sie auf lange Sicht von den Vorteilen eines modularen Baukastensystems profitieren, sollten Sie Ihre Modularisierungsstrategie von Anfang an fest in Ihrer Organisation verankern. Wie genau das funktioniert, lesen Sie in unserem passenden Blog-Artikel.
Schritt 4: Organisatorische Basis für das Baukastensystem schaffen
Wie bereits zuvor beschrieben, kann Modularisierung nur dann funktionieren, wenn sie abteilungsübergreifend umgesetzt wird. Hierzu bedarf es einer organisatorischen Basis, die sowohl die technische Umsetzung - genauer gesagt die notwendigen Tools, Prozesse und IT-Strukturen - als auch die unternehmensinternen Governance-Strukturen umfasst.
Zuständigkeiten klären und gemeinsame Werte schaffen
Klassisches Silodenken, wie man es häufig im Maschinen- und Anlagenbau findet, und Modularisierung stehen miteinander im Gegensatz. Um eine erfolgreiche modulare Produktarchitektur zu schaffen und so Komplexität in der gesamten Wertschöpfungskette im Unternehmen nachhaltig zu optimieren, müssen Organisationen umdenken. Statt in unabhängigen Silos wird bei einer modularen Produktentwicklung interdisziplinär gearbeitet, was bedeutet, dass Rollen und Verantwortungsbereiche innerhalb der Organisation neu definiert und neue Entscheidungsstrukturen geschaffen werden müssen.
Besonders wichtig für den Erfolg der neuen Produktarchitektur ist auch die Unterstützung der obersten Managementebene, die dafür sorgen muss, dass über alle Unternehmensbereiche hinweg Akzeptanz für das modulare System geschaffen wird und alle Abteilungen an einem Strang ziehen.
Prozesse synchronisieren
Parallel zum internen Entscheidungsmodell müssen auch die bestehenden Produktentwicklungsprozesse angepasst werden, um das volle Potenzial einer modularen Produktarchitektur auszuschöpfen. Ziel ist es, den Modularisierungsprozess mit anderen Abläufen und Entwicklungen zu synchronisieren und so die abteilungsübergreifende Zusammenarbeit zu fördern und Redundanzen zu vermeiden.
IT-Strukturen verknüpfen
Die Reorganisation von Entscheidungs- und Entwicklungsprozessen allein reicht nicht aus. Maßgebend für das erfolgreiche Umsetzen der Modularisierungsstrategie ist das Implementieren einer gemeinsamen IT-Plattform, die alle relevanten Datensätze an einem zentralen Ort bündelt und auf die alle in den verschiedenen Abteilungen genutzten Software Tools wie z. B. CPQ, PLM und ERP zugreifen können. Als Single Source of Truth stellt die gemeinsame IT-Plattform nicht nur die technische Basis für eine siloübergreifende Zusammenarbeit dar, sondern führt auch zu mehr Effizienz und einer gesteigerten Qualität in den Unternehmensabläufen. Diese IT-Plattform oder Informationsmodell ermöglicht und realisiert ein durchgängiges und quantifiziertes Beziehungswissen in der gesamten Wertschöpfungskette.
Leseempfehlung: Modularisierung ist nur mit der passenden Governance möglich. Wieso das so ist und welche Governance es für ein erfolgreiches modulares System braucht, erfahren Sie in unserem Blog-Artikel zum Thema.
So setzen Sie den Mehrwert optimaler Produktkomplexität in Ihrem Unternehmen um
Produktkomplexität zu optimieren bedeutet, Kosten zu senken und gleichzeitig Umsätze zu steigern. Modulare Komplexitätsoptimierung ist ein Transformationsprozess, der Schritt für Schritt den Mehrwert für Ihr Unternehmen erhöht. Der Prozess lässt sich in vier zentrale Schritte gliedern: Zuerst gilt es, auf oberster Managementebene die Weichen für den Modularisierungsprozess zu stellen. Im Zuge der Entwicklung und Einführung der modularen Produktarchitektur - also in Schritt 2 und 3 - liegt der Fokus auf einer Analyse der konkreten Kundenbedarfe, auf der Befähigung der einzelnen Teams und der Umsetzung des Kundenbedarfs in Form eines modularen Baukastensystems. Zuletzt gilt es, die notwendigen Governance-Strukturen zu schaffen und Ihr Unternehmen mit den notwendigen Tools und IT-Systemen auszustatten. Dadurch gelingt Ihnen über lange Zeiträume das aus Kundensicht optimale Produktportfolio effizient sowie flexibel anzupassen, zu produzieren und zu vermarkten.
Für eine detaillierte Erklärung, wie Sie die Komplexitätsoptimierung in Ihrem Unternehmen Schritt für Schritt umsetzen, empfehlen wir Ihnen unser Webinar “From Pain to Profit - Den Mehrwert optimierter Komplexität konkret umsetzen”. Die Aufzeichnung des von Luther Johnson, Vorsitzender von Modular Management USA, geleiteten Webinars können Sie hier herunterladen:
Autor
Ingo Bögemann
Senior Consultant
ingo.bogemann@modularmanagement.com
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